Der Mann, der die Frauen belog - Roman
schon, wer es gewesen sein könnte, wenn der Junge nichts damit zu tun hat?«
»Nein.«
Sie holte eine Akte aus der Tasche.
»Die erste Mrs. Riccalo ist an einem Herzinfarkt gestorben. Wenn man den Mann kennt, muss man sich natürlich fragen, wie stark sie unter Druck stand und wie lange sie diesem Druck standhielt. Hier ist der Bericht aus dem Krankenhaus.«
Charles zögerte einen Moment wie jemand, der sich nicht gern die Hände schmutzig macht. Aber vielleicht war es falsch, ihr zu unterstellen, dass sie sich ihre Daten ausschließlich mit unrechtmäßigen Mitteln beschaffte.
»Geklaut?«
»Ja. Aber das hier nicht.«
Die zweite Akte trug das Siegel der New Yorker Kriminalpolizei. Er überflog den dreiseitigen Bericht über den Selbstmord der zweiten Frau von Robert Riccalo. »Klarer Fall von Suizid. Völlig unverdächtig.«
»Einspruch!«
»Und warum?«
»Nach der Selbstmordstatistik sind es meist Männer, die aus dem Fenster springen. Frauen schrecken davor zurück. Wegen der Schweinerei unten auf dem Gehsteig. Und sie hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen. Die meisten Selbstmörder wischen ihren Lieben gern noch eins aus, ehe sie abtreten.«
»Hatten die ersten beiden Frauen von Riccalo irgendwelche Gemeinsamkeiten?«
»Sie waren beide berufstätig und über ihren Arbeitgeber lebensversichert. Vielleicht auch noch anderweitig, das überprüfe ich gerade. Auch Sally Riccalo ist über das Geldinstitut versichert, bei dem sie als Systemanalytikerin tätig ist. Sie und Robert Riccalo haben vor zehn Jahren, als die erste Mrs. Riccalo noch lebte, in einer Firma gearbeitet. Aufschlussreich?«
»Angefangen haben wir mit dem relativ harmlosen Problem fliegender Gegenstände. Findest du nicht, dass es etwas vorschnell wäre, jetzt schon von Mord zu reden? Der Begünstigte war vermutlich –«
»Richard Riccalo. Ebenso wie bei Frau Nummer drei.«
»Aber ist nicht der Ehemann üblicherweise der Begünstigte?«
»Ja, aber in den meisten Fällen ist es die Frau, die letztlich kassiert. Ein Herzinfarkt, ein Selbstmord – und ich habe den Eindruck, dass auch Ehefrau Nummer drei nicht mehr lange zu leben hat. Über einen einzigen Bleistift würde sie sich nicht so aufregen. Was ist ihr denn in letzter Zeit sonst noch so entgegengeflogen?«
»Eine Schere … Glasscherben …«
»Wie reagiert der Vater?«
»Mit Wut und Skepsis. Für authentisch hält die Erscheinungen offenbar nur die Stiefmutter. Die steht nämlich auf Geistwesen, Besucher aus dem All und dergleichen. Mr. Riccalo hält die fliegenden Gegenstände für miese Tricks, die er dem Jungen anlastet.«
»Irgendjemand ist für die miesen Tricks verantwortlich, so viel steht fest. Bist du sicher, dass es dein Bleistift war, der da durch die Luft geflogen kam?«
»Wie bitte?«
»Na hör mal, Charles, du wirst doch wohl deine Verwandtschaft mit Max Candle nicht verleugnen wollen …«
»Die Kunst der Illusion vererbt sich nicht. Leider …«
»Mit der Ausrüstung, die du da unten im Keller hast, könntest du Elefanten zum Fliegen bringen.«
»Das möchte ich bezweifeln. Max beherrschte zwar einige wirklich gute Illusionsnummern, aber seine großen Auftritte hatte er mit Mutproben, die einem den Atem stocken ließen. Fliegende Gegenstände waren Malachais Spezialität. Er ist der größte Illusionist, der je gelebt hat.«
»Ist das der, den Effrim den Enttarnungskünstler genannt hat?«
»Mit der Aufklärung von Schwindeleien unter dem Deckmantel des Übersinnlichen hat er sich erst beschäftigt, als er nicht mehr selbst auf der Bühne stand. Er ist mit seiner toten Frau aufgetreten. Sieh mich nicht so skeptisch an. Sie war seine Assistentin.«
»Und sie war tot ?«
»Ja. Malachais Assistentin wurde sie erst, nachdem sie gestorben war. Vorher hat sie musiziert und komponiert.«
»Wie gingen denn diese Auftritte vor sich? War sie ausgestopft?«
»Nein, sie ist den Zuschauern nie leibhaftig erschienen. Sie war da und doch nicht da … tot und gewissermaßen doch noch im Geist gegenwärtig. Wenn Malachai das Publikum an den Gedanken gewöhnt hatte, dass da oben auf der Bühne eine Tote stand, die man nicht sehen konnte, ließ er sich von ihr alle möglichen Gegenstände reichen, die dann durch die Luft schwebten.«
»Würde ganz gut zu den fliegenden Bleistiften passen. Deshalb hat sich Malachai also später auf die Parapsychologie geworfen?«
»Nein, er war ein erklärter Feind aller Parapsychologen. Wenn sie wieder mal mit viel Trara ein
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