Der Mann, der die Frauen belog - Roman
neues PSI-Talent entdeckt hatten, fuhr er dazwischen und wies ihnen den Betrug nach.«
»Denkst du daran, dich von ihm beraten zu lassen?«
»Mit so einer Lappalie mag ich ihn nicht belästigen. Malachai ist inzwischen in den Siebzigern. Er und Louisa leben sehr zurückgezogen.«
»Louisa?«
»Seine tote Frau. Wenn du dich weniger mit Computern und mehr mit klassischer Musik beschäftigen würdest, wäre dir ihr Name schon begegnet. Louisas Concerto ist das einzige Stück, das sie geschrieben hat, eine wunderbare Komposition, ohne die keine Plattensammlung mit ernster Musik vollständig ist. Er ließ sie zu jedem seiner Auftritte spielen. Im Übrigen – das hatte ich wohl vergessen zu sagen – ist Louisa für Malachai ständig präsent. Er lebt mit ihr, redet mit ihr, schläft mit ihr. Die Nummer mit den schwebenden Gegenständen hatte er sich nur ausgedacht, damit auch das Publikum sie sehen konnte.«
»Und dieser Spinner enttarnt Schwindler des Übersinnlichen?«
»Ja. In dieser Hinsicht reagiert er völlig normal. Er gibt auch unumwunden zu, dass Louisa keine übersinnliche Erscheinung ist, sondern dass er sie erschaffen hat.«
»Wie ist das denn eigentlich alles gekommen?«
»Louisa ist sehr jung gestorben. Sie komponierte dieses wunderbare Concerto, und wenig später war sie tot. Malachai kannte sie von klein auf, und weil er einfach nicht von ihr lassen konnte, hat er sie sich zurückgeholt.«
»Wie bitte?«
»Er hat sie aus der genauen Kenntnis ihrer Persönlichkeit heraus neu geschaffen. Bisher hat es so etwas nur in fernöstlichen Klöstern gegeben. Die dort von Mönchen allein durch die Kraft des Geistes geschaffenen Wesen waren reine Phantasiegebilde, während Malachai eine lebendige Frau als Vorbild hatte. Das ist ein wichtiger Unterschied. Weil er Louisa so gut kannte, weil er genau wusste, wie sie in einer gegebenen Situation reagieren würde, konnte er sie genau dem Original nachbilden, konnte sich mit ihr unterhalten, sie sehen und berühren. Ein Triumph der Konzentration.«
»Aber eben doch nur ein Trick.«
»Eine geniale Illusion und natürlich auch ein Wahn, aber ein Meisterwerk. Wie Platons Dialoge. So was Ähnliches, wenn auch auf einer anderen Ebene, machen doch viele Menschen. Fragst du dich nicht auch hin und wieder, was Markowitz in einer bestimmten Situation tun oder sagen würde?«
Sie wandte das Gesicht zum Fenster, und er machte sich Vorwürfe, weil er ihren Gefühlen zu nahe getreten war. Charles Butler gehörte zu den wenigen Bekannten von Kathy Mallory, die ihr überhaupt Gefühle zugestanden.
»Malachai unterscheidet sich auch noch in einem anderen Punkt von den fernöstlichen Mönchen. Die frommen Brüder holten sich ihre gedachten Wesen nach Belieben her und schickten sie wieder weg. Louisa war und ist Malachais ständige Begleiterin.«
»Aber dieser Malachai ist doch eindeutig ein Verrückter, nicht?«
»Ja. Aber ein hochintelligenter Verrückter. Um eine dreidimensionale Illusion zu schaffen, braucht man ein enormes Maß an Konzentration.«
»Und wenn er mit ihr sprach, antwortete sie so, wie sie im Leben geantwortet hätte, auch wenn die Frage für sie neu war?«
»Ja. So grotesk das klingen mag – Wahrheit und Logik hielten den Wahn zusammen. Louisa blieb sich gewissermaßen auch im Tode treu.«
»Könntest du auch ein Gespräch mit einer Toten führen?«
»Malachai und Louisa sind zusammen aufgewachsen. Er kannte ihre Denkweise, ihre geheimsten Gedanken. Es gibt keine Frau, die ich so gut kenne.«
Am allerwenigsten dich, Mallory.
»Muss man für so was verrückt sein?«
»Zumindest so verrückt, wie Verliebte es sind. Zu mir hat mal eine Frau gesagt, dass Verliebte ins Irrenhaus gehören, und damit hat sie wohl recht. Malachai hat die Grenzen des mit der Vernunft Messbaren überschritten, um Louisa zurückzuholen. Nicht umsonst gibt es in unserer Sprache das Wort Liebeswahn. Malachai ist verrückt, kein Zweifel, aber er ist auch ein Genie und ein sehr sympathischer Mensch. Wenn ich bei Onkel Max zu Besuch war, kamen Malachai und Louisa immer zum Abendessen.«
»Und langte sie dann auch tüchtig zu?«
»Für ein Kind ist so was schwer zu entscheiden. Bei Max zu Hause wurde unentwegt gezaubert. Sie setzten ihr einen Teller vor und schenkten ihr Wein ein, und irgendwann im Lauf des Abends waren Glas und Teller leer. Wahrscheinlich haben sie einen Moment genutzt, in dem ich abgelenkt war, um das Essen und den Wein verschwinden zu lassen, aber im Grunde
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