Der Mann, der die Frauen belog - Roman
etwas Unrechtes zu tun.«
»Louis war ein begnadeter Lügner«, sagte Robin. »Sogar Helen hat diese Erklärung geschluckt, und nun war sie ihm natürlich böse. Es war das erste und einzige Zerwürfnis zwischen den beiden. Kathy wusste, dass es ihretwegen war, aber sie war sich keiner Schuld bewusst. Schließlich hatte sie ja nicht mit gezinkten Karten gespielt oder so …«
»Sie war einfach den Kindern, die sie schröpfte, um Lichtjahre voraus«, bestätigte Edward. »Du hast Helen nicht gekannt, Charles, und kannst dir deshalb vielleicht kein richtiges Bild von der Beziehung zwischen ihr und Louis machen. Beim Essen hielten sie unter dem Tisch Händchen, und manchmal saßen sie bis früh um zwei beisammen und redeten.«
»Und dann wird es von einem Tag zum anderen still im Haus, weil Helen glaubt, dass Louis ihre Kathy verdorben hat. Louis war am Boden zerstört, aber er blieb bei dem, was er gesagt hatte. Kathy spürte die Missstimmung, litt unter der lastenden Stille. In dieser Situation war sie nahe dran zu begreifen, was Recht und Unrecht ist.«
»Aber ganz hat sie es dann doch nicht gepackt«, sagte Edward.
»Poker allerdings hat sie nie wieder gespielt. Sie hat sich selbst ausgeschlossen. Auch eine Art Buße.«
»Du liest zu viel in sie hinein. Kathy ist ein herzloses kleines Ungeheuer. Sie verdirbt jede –«
Das Telefon läutete. Es war ein Anruf für Robin. Als er aufgelegt hatte, wandte er sich an Charles. »Kathy hat eine Nachricht auf unserem Anrufbeantworter hinterlassen. Sie holt die Unterlagen selber ab.«
»Kathy kommt hierher? Wann?«
»Um halb neun.«
»Es ist jetzt fünf Minuten über die Zeit. Sie kommt sonst nie zu spät …«
»Herrgott, die Weihnachtsbeleuchtung«, stieß Robin hervor. »Kathy hat ja keine Ahnung …«
Sie sahen alle gleichzeitig aus dem Fenster. Draußen stand Mallorys Wagen.
Edward Slope, der am lautesten gegen sie gewettert hatte, stürzte ohne Jacke aus dem Haus.
Und dann standen drei Männer in der kalten Nachtluft unter der Tür und sahen dem einen nach, der über die Fahrbahn hetzte.
Charles sollte später nie ohne schmerzliche Bewegung an diese Szene zurückdenken, die kristallklare Winterluft, Mallorys schönes Profil, das im Licht der Straßenlampen leuchtende Haar, ihre erschreckende Regungslosigkeit, die unheimliche Stille, in der nur die raschen Schritte des Arztes zu hören waren.
An Mallory bewegte sich nur der Atem, der als kleiner weißer Nebelfleck vor ihrem Gesicht waberte. Sie stand in dem frisch gefallenen Schnee des Vorgartens und betrachtete Menora und Weihnachtsbaum. Dann hob sie den Kopf. In Louis’ Arbeitszimmer war das Licht angegangen. Jetzt war Slope bei ihr, legte ihr die Hände auf die Schultern, sprach leise auf sie ein. Sie reagierte nicht. Ihr Blick war noch immer auf das Licht im Giebelfenster gerichtet.
Die Expartnerin eines Cops ist wie eine Geschiedene, von der man nicht loskommt. Peggy fehlte ihm sehr, aber mit einer Kugel in der Lunge kann man den Polizeidienst vergessen. Den wöchentlichen Besuch in ihrer Bar aber hielt Riker so gewissenhaft ein wie ein guter Christ den sonntäglichen Kirchgang.
Er beobachtete sie unauffällig, während sie mit einem weißen Lappen den feuchten Ring von der Mahagonifläche wischte und das Kleingeld einsteckte, das der letzte Gast dagelassen hatte.
Man sah Peggy ihr Alter nicht an – aber dafür tat sie auch einiges. Eine blonde Tönung deckte das erste Grau im Haar ab, Hüften und Schenkel waren allenfalls eine Spur fülliger geworden. In der gedämpften Beleuchtung der Bar und aus einiger Entfernung wirkte sie fast unverändert.
Ja, das waren noch Zeiten gewesen, als Peggy eine junge Frau und er ein ganz passabler Kerl und fast immer nüchtern gewesen war, als sie eine Dienstmarke und einen Revolver gehabt hatte … Aus und vorbei.
Er schätzte, dass die mittelalterliche Dame auf dem Barhocker neben ihm die einzige Zivilistin im Raum war. Sie hatte diesen unverkennbar wehleidig sauertöpfischen Steuerzahlerblick. Andauernd wedelte sie sehr betont den Rauch von sich weg und rückte dabei Riker viel zu nah auf die Pelle.
»Wussten Sie, dass Passivrauchen für Nichtraucher lebensgefährlich sein kann?«, fragte sie.
»Kann mir nur recht sein«, sagte Riker.
Die Frau griff sich ihre Handtasche und rückte ans andere Ende des Tresens, und Peggy brachte Riker lächelnd ein frisches Bier.
»Wo waren wir stehengeblieben?«
»Die ersten Alarmzeichen.«
»Richtig. Frühalarm gibt
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