Der Mann, der ins KZ einbrach
das Handtuch werfen würde. So läuft das normalerweise. In diesem Stadium war meine Geschichte nur eine vierminütige Fernsehmeldung und ein etwas längerer Radiobericht. Es handelte sich nicht gerade um eine groß angelegte Recherche für eine Dokumentation.
Als Rob mich dann anrief, hatte er eine Art Durchbruch zu melden. Er hatte sich mit den heutigen Bewohnern des Hauses 7 Tixall Road in Verbindung gesetzt. In einem Land, in dem die Häuser regelmäßig den Besitzer wechseln, war es erstaunlich, dass dort ein älteres Ehepaar wohnte. Sie hatten das Haus in den Sechzigerjahren einer Dame namens Cottrell abgekauft und erinnerten sich an die Geschichte des deutsch-jüdischen Mädchens, das die Cottrells während des Krieges aufgenommen hatten.
Rob war begeistert, aber im Grunde hatte er nur bestätigt, was ich bereits wusste. Mehr herausbekommen hatte er nicht. Sein Erfolg verlieh ihm vorübergehenden Auftrieb, aber daraus folgte noch lange nicht, dass Susanne noch lebte. Die Spur wurde kalt. Ich zermarterte mir das Hirn nach weiteren Einzelheiten jener traumatischen Begegnung, die ihm helfen konnte, aber mir fiel nichts ein. An diese Zeit erinnerte ich mich nur noch verschwommen.
Ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob man Susanne offiziell adoptiert hatte. Falls dem so war, unterlagen die entsprechenden Akten ohnehin dem Schutz der Privatsphäre. Im Wählerverzeichnis, in Volkszählungen und sogar in den Telefonbüchern fanden sich eine ganze Reihe Cottrells überall im Land, aber die stundenlangen Telefonate blieben ohne Ergebnis. Robs Kollegen fragten sich schon, ob er seine Zeit verschwendete. Es gab viele Storys, die sich einfacher recherchieren ließen.
Ihm blieb schließlich nur noch eines. In seiner Verzweiflung rief er Leute an, mit denen er bereits gesprochen hatte.
Das Ehepaar auf der Tixall Road hatte seit seinem ersten Anruf Zeit zum Nachdenken gehabt. Sie hatten mit ihrem Sohn Andrew gesprochen, der im nahen Solihull wohnte. Andrew kannte nicht nur die Geschichte des deutschen Mädchens, das vor dem Zweiten Weltkrieg als Flüchtlingskind nach Großbritannien gekommen war, er war sich auch sicher, dass sie noch immer im Raum Birmingham lebte. Andrew zufolge hatte sie geheiratet, hieß nun James und hatte einen Sohn namens Peter. Doch es kam noch besser. Andrew war überzeugt, sie vor ein oder zwei Jahren gesehen zu haben, als sie in einem Birminghamer Restaurant zu Mittag aß.
Das waren großartige Neuigkeiten. Auch wenn James ein recht verbreiteter Name ist, konnte Rob nun nach einer Susanne James mit einem Sohn namens Peter suchen, von dem Andrew glaubte, er sei in die Vereinigten Staaten gezogen und arbeite erfolgreich als Buchhalter. Eine Suche auf beiden Seiten des Atlantiks begann.
Doch Andrew hatte noch eine andere Spur. Er war fest davon überzeugt, dass Susanne bis vor kurzem auf der Warwick Road im Birminghamer Stadtteil Acocks Green gewohnt hatte.
Die Warwick Road ist eine sehr lange Straße. So lang, dass in den letzten Jahren dort mehrere Personen mit dem Nachnamen James registriert waren. Eine Nummer, die des Nachforschens wert erschien, erwies sich als Imbisshalle. Man war dort eher an Bestellungen interessiert als am Aufspüren vermisster Personen.
Ein anderer Eintrag versprach mehr. Das Wahlregister des Jahres 2001 verzeichnete eine Susanne E. James unter einer Adresse auf der Warwick Road. Rätselhaft war daran nur, dass zwei weitere Namen dort als Wähler registriert waren, von denen einer osteuropäisch klang. Die Frau, die ans Telefon ging, war eindeutig zu jung, um Susanne zu sein, und wusste nicht recht, wie sie sich verhalten sollte. Kein Wunder, schließlich rief ein Wildfremder sie an und stellte seltsame Fragen über eine alte Dame, die er nicht kannte. Immerhin erinnerte die junge Frau sich, bei der Besichtigung des Hauses vor dem Kauf von einer älteren Dame mit grauem Haar herumgeführt worden zu sein. Das war vielversprechend, aber an den Namen konnte sie sich nicht erinnern.
Wieder verlief die Suche im Sande. Rob rief mich an und sagte mir, dass er kurz davorstehe, aufzugeben. Er habe nun schon Wochen in die Suche investiert und trotzdem kaum etwas vorzuweisen. Er und Patrick machten mit mir einen Termin aus, um meine Geschichte für TV und Radio aufzuzeichnen.
Rob sagte, sie hätten noch einen letzten Tag Klinkenputzen in Birmingham vorgesehen, ein letzter Versuch, das Ruder herumzureißen, aber dann würden sie aufgeben. Sie standen unter dem Druck,
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