Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
Vom Netzwerk:
ins Stocken. Die Studiogäste schwiegen, und der Moderator brauchte kaum Fragen zu stellen. Ich berichtete, wie ich mich daran gewöhnt hatte, jeden Tag mit anzusehen, wie Männer mit Stiefeltritten ermordet wurden.
    Bei diesem Interview hatte sich wirklich etwas in mir gelöst. Ich konnte über meine Erlebnisse reden wie nie zuvor, und das war etwas ganz Neues für mich. Die Sendung führte zu weiteren Interviews. Ständig kehrten nun alte Erinnerungen zurück; sie ließen sich nicht mehr festhalten. Und nachdem ich sie erst einmal losgelassen hatte, konnte ich nicht mehr darüber schweigen.
    Ich schrieb an Les Allen, den ehrenamtlichen Vorsitzenden der National Ex-Prisoners of War Association, des Verbandes ehemaliger Kriegsgefangener, und setzte ihn ins Bild. Kurz darauf schickte Les einen BBC -Reporter zu mir, Rob Broomby. Er recherchierte für einen Bericht über britische Kriegsgefangene, die in der Nähe von Auschwitz festgehalten worden waren, und hatte bereits an zahlreichen Berichten über jüdische Zwangsarbeiter und die Rolle der deutschen Unternehmen mitgewirkt. Erst kürzlich war er aus Berlin zurückgekehrt, wo er als BBC -Korrespondent tätig gewesen war. Mir gefiel Robs Vorgehensweise. Er stand mit beiden Beinen auf der Erde und benahm sich respektvoll. Er hatte Verständnis.
    Rob sollte in mehr als einer Hinsicht Teil dieser Geschichte werden. Er setzte sich für die Entschädigung britischer Kriegsgefangener ein, die zur Arbeit für Nazideutschland gezwungen worden waren. Ich erzählte ihm von dem jüdischen Häftling namens Ernst mit der Schwester in England, dem ich zu helfen versucht hatte, indem ich Zigaretten ins KZ schmuggelte. Ich berichtete Rob, wie ich mit Hans den Platz getauscht hatte, und schilderte ihm meine Nächte in Auschwitz III .
    Ich war nicht allzu überrascht, als ich erfuhr, dass in der Sendung die Geschichte vom Austausch nicht das Richtige gewesen war. Später hörte ich, dass Rob versucht hatte, mit diesem Teil des Interviews etwas anderes zu machen, was letztendlich aber nicht funktionierte. Deshalb hatte er diesen Teil ganz weggelassen.
    Ein paar Jahre vergingen, ehe Rob, der nun mit einem BBC -Produzenten namens Patrick Howse zusammenarbeitete, wieder Kontakt mit mir aufnahm. Es war Herbst 2009. Sie wollten ein Interview über meine Geschichte für Radio und Fernsehen aufzeichnen. Diesmal sollte der Schwerpunkt auf dem Rollentausch in Auschwitz liegen und meinem Versuch, Ernst zu helfen.
    In den darauf folgenden Wochen rief Rob immer wieder an und stellte jedes Mal neue Fragen. Er hatte die verrückte Idee, er könne Ernsts Schwester Susanne vielleicht finden. Wenn sie noch lebte, sagte er, könnten wir womöglich erfahren, wie Ernst gestorben war. Ich hatte seit 1945 nicht mehr mit Susanne gesprochen und wusste nicht, welchen Weg ihr Leben seitdem genommen hatte. Wenn sie tatsächlich noch lebte, war sie ziemlich in die Jahre gekommen, so wie wir anderen.
    Ich nahm mein kleines braunes ledernes Adressbuch von 1945 zur Hand und suchte heraus, was ich konnte. Es war alt und die Schrift verblasst, aber noch deutlich lesbar. Ich hatte ihren Namen als Susanne Cottrell notiert, Tixall Road Nummer 7 in Birmingham, in der Annahme, dass Cottrell der Name ihrer Adoptiveltern sei.
    Rob wollte mich auf dem Laufenden halten, was die Suche nach Susanne betraf, aber ich merkte, dass es nicht gut voranging. Wochen verstrichen, ohne dass ich ein Wort hörte.
    Der Verband jüdischer Flüchtlinge hatte Rob geschrieben, Cottrell höre sich nicht wie ein jüdischer Name an, und der dortige Spezialist für die Kindertransporte konnte allein auf der Grundlage eines Vornamens niemanden ermitteln. Robs Versuche, in den Akten des Birmingham Council of Refugees aus dieser Zeit etwas zu finden, blieben genauso ergebnislos.
    Seinen ersten Glückstreffer landete er im Wahlregister von 1945, das drei Wähler auflistete, die unter der Adresse 7 Tixall Road gewohnt hatten. Die gute Neuigkeit war, dass sie alle den Nachnamen Cottrell trugen, die schlechte, dass unter ihnen keine Susanne war. Es waren drei Frauen: Ida, Sarah und Amy Cottrell. Rob fragte mich, ob eine von ihnen Susanne unter einem anderen Namen sein könnte. Aber woher sollte ich das wissen?
    Es war hoffnungslos. Ich wusste, dass Rob bei der BCC in der Nachrichtenredaktion arbeitete und dass seine Recherchen mehr und mehr mit seinen eigentlichen Aufgaben kollidierten. Ich hatte angenommen, dass er ein paar Wochen daran arbeiten und dann

Weitere Kostenlose Bücher