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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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einem Holzschuppen auf dem Bauhof. Ich öffnete die Tür und trat ein. Ich kannte bereits das abweisende Innere mit seinen kleinen Tischen und den schlichten Bänken, weil wir uns hier manchmal zum Essen unterstellten. Kaum war ich drinnen, zog ich meine schweren Stiefel aus und stellte die rauen Holzschuhe bereit, damit es schnell ging. Als Hans sah, dass ich in dem Schuppen verschwand, folgte er mir, so schnell er konnte.
    Dann stand er auch schon in der Tür und trat ohne Zögern ein. Er war sichtlich aufgeregt. Was wir vorhatten, war für ihn gefährlicher als für mich, aber er war trotzdem gekommen. Für ihn war die Aussicht auf eine ruhige Nacht und ein bisschen mehr Essen das Risiko wert. Nach einem nervösen Blick über die Schulter legte er den Riegel vor und eilte zu mir, den Kopf gesenkt, als könnte er auf diese Weise unsere Absicht verschleiern.
    Zum Reden war keine Zeit. Geschwindigkeit war entscheidend. Es durfte nicht länger dauern als eine Minute, sonst würde man uns vermissen.
    Hans zog seine verlauste Jacke aus und warf sie mir zu, während ich ihm meine dicke Uniformjacke reichte. Als ich seine blaugestreifte Häftlingskleidung überzog, schlug mir der Geruch nach Schmutz und menschlichem Verfall entgegen, und ich sah die Tierchen, die aus den Nähten und den ausgefransten Säumen krabbelten, gierig auf frisches Blut. Es machte mir nichts aus. Ich wusste mit Läusen zu leben; das hatte ich in der Wüste und in den italienischen Gefangenenlagern gelernt. Der Gedanke an Typhus ist mir damals nie gekommen. In diesen Sekunden waren die Läuse die geringste meiner Sorgen.
    Mein Uniformhemd hatte ich in der Baracke gelassen. Ich trug nur eine Weste unter meiner Uniformjacke. Ein Hemd unter der sackartigen Zebrajacke hätte augenblicklich Misstrauen geweckt, da konnte mein Kopf noch so kahl geschoren sein und mein Gesicht noch so ausgemergelt aussehen.
    Nun war ich sämtliche Zeichen meiner wahren Identität los. Was eine Uniform doch ausmachen kann, dachte ich flüchtig, als ich Hans anschaute, der nun meine Sachen trug. Ich hatte recht gehabt; er war ungefähr so groß wie ich, hatte einen ähnlichen Körperbau und war wie ich ziemlich hellhäutig.
    Ich hatte ein Paar alte Schuhe für ihn besorgt und sie vorher in der Bude versteckt. Holzpantinen an den Füßen eines britischen Kriegsgefangenen wären zu auffällig gewesen. Meine Stiefel hatte ich versteckt, ehe Hans in die Hütte gekommen war. Ich wollte die Stiefel niemandem anvertrauen, nicht einmal für eine Nacht.
    Sobald der Austausch abgeschlossen war, besprachen Hans und ich noch einmal kurz und knapp den Plan. Ich schärfte ihm ein, sich auf keinen Fall aufzuregen oder irgendetwas zu tun, womit er auf sich aufmerksam machte. Seine Bewegungen müssten ruhig und zielstrebig sein. Vor allem schärfte ich ihm ein, nicht zu rennen, obwohl ich bezweifelte, ob er überhaupt die Kraft dazu gehabt hätte. Als er die Hütte verließ, sah er von Kopf bis Fuß wie ein britischer Soldat aus. Wie besprochen suchte er nach Bill und Jimmy.
    Ich wartete kurz. Dann setzte ich die Armesündermiene auf, die ich so gut kannte, ließ die Schultern sinken und richtete den Blick auf den Boden. Ich verließ die Bude und humpelte zu der jüdischen Kolonne, die gerade Aufstellung nahm, schob mich mitten in die Reihe und hustete dabei, damit ich meinen Akzent hinter einer heiseren Stimme verbergen konnte, falls jemand mich ansprach.
    Ich fühlte mich gut. Nun bestimmte ich selbst wieder, wo es langging; ich war kein Zuschauer mehr. Schon gegen die Vorschriften zu verstoßen bedeutete, dass ich dem Feind eins auswischte.
    Erst jetzt wurde ich mir so recht der neuen Gefahren bewusst. Verstohlen fuhr ich mit den Fingern an der Knopfleiste der gestreiften Schlafanzugjacke entlang, um mich zu vergewissern, dass sie oben geschlossen war und am Hals eng saß. So musste es sein. Wenn ich einen Knopf nicht geschlossen hatte oder die Jacke am Hals offen stand, würde ich Prügel von den Kapos beziehen. Ich hätte keine andere Wahl gehabt, als mich schlagen zu lassen, sonst wären wir aufgeflogen. Und wenn die Wärter mich erkannten, würden sie mich auf der Stelle erschießen; da machte ich mir nichts vor. Innerlich hatte ich mich für einen Kampf gewappnet, aber nach außen musste ich Schwäche und Unterwerfung zeigen.
    Das Herz schlug mir bis zum Hals. Im Hintergrund hörte ich, wie abgezählt wurde.
    Die Lebenden wurden mit den Toten zusammengerechnet, die an einer Seite

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