Der Mann, der kein Mörder war
Tasche, breitete das Tuch wieder aus und kam aus der Hocke in den Stand. Ursula tat es ihm gleich.
Gemeinsam begannen sie, die Brandursache zu untersuchen. Ursula war nicht gerade eine Expertin für Brandherde, aber sogar sie entdeckte im Schlafzimmer zahlreiche Anzeichen, die auf eine extrem heftige Brandentwicklung hindeuteten. Viel zu heftig, um eine natürliche Ursache zu haben.
Rolf Lemmel war am Boden zerstört. Ein naher Bekannter hatte ihn angerufen und ihm von dem Brand in Peters Haus erzählt. Er hatte allerdings noch nicht erfahren, dass man im Schlafzimmer eine Leiche gefunden hatte, und als Vanja es ihm sagte, wurde er noch blasser, setzte sich auf das Sofa im Wartezimmer und schlug die Hände vors Gesicht.
«Ist es Peter?»
«Wir wissen es noch nicht, aber die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich groß.»
Lemmel krümmte sich zusammen und atmete heftig. Sebastian holte ihm ein Glas Wasser. Rolf nahm ein paar Schlucke und beruhigte sich etwas. Er blickte die Polizisten an. Realisierte, dass die Polizistin Peter schon am Morgen gesucht hatte, als er noch glaubte, der Kollege hätte sich nur verspätet. Da war er vor allem genervt von ihr gewesen. Jetzt wurde ihm bewusst, dass er den Ernst ihres Besuchs nicht begriffen hatte.
«Warum waren Sie heute Vormittag hier, hatte es etwas damit zu tun?», fragte er und blickte Vanja eindringlich an.
«Wir wissen es nicht. Es ging um einen Jungen, der möglicherweise bei ihm Patient gewesen ist.»
«Wer denn?»
«Roger Eriksson, ein sechzehnjähriger Junge von der Palmlövska-Schule.»
Vanja streckte sich, um ihm das Bild zu zeigen, aber er wusste schon Bescheid.
«Der Junge, der ermordet wurde?»
«Genau.»
Sie hielt ihm das Bild vorsichtshalber trotzdem hin. Er starrte darauf und überlegte lange, er wollte keinen Fehler machen.
«Ich bin mir nicht sicher. Peter hatte ja eine Vereinbarung mit der Schule, dadurch waren viele Jugendliche hier. Es ist also möglich, dass er bei ihm war.»
«Hatte er in diesem Schulhalbjahr jeden zweiten Mittwoch um zehn einen Termin?»
Lemmel schüttelte den Kopf.
«Ich bin nur an drei Tagen in der Woche hier, mittwochs und donnerstags arbeite ich im Krankenhaus. Ich weiß es also nicht. Aber wir können in Peters Büro nachsehen. Dort liegt sein Kalender.»
«Haben Sie keine Sprechstundenhilfe?», fragte Sebastian, als sie durch die Glastür in einen kleinen Flur traten.
«Nein, wir kümmern uns selbst um die Termine, alles andere würde nur unnötige Kosten verursachen.»
Lemmel blieb vor der zweiten Tür auf der rechten Seite stehen und zog seine Schlüssel hervor, um die Tür aufzuschließen. Er sah etwas verwundert aus, als er den Schlüssel im Schloss umdrehen wollte und die Tür plötzlich von selbst aufging.
«Komisch …»
Sebastian schob die Tür weit auf. Im Zimmer herrschte ein einziges Chaos, herausgerissene Akten und Papiere. Offene Schubladen. Leere Mappen. Zerbrochenes Glas. Rolf sah schockiert aus. Vanja streifte sich schnell ein paar weiße Latexhandschuhe über.
«Bleiben Sie draußen. Sebastian, ruf Ursula an und sag ihr, dass wir sie hier brauchen, so schnell es geht.»
«Ich glaube, es wäre besser, wenn du anrufst.» Sebastian versuchte zu lächeln.
«Sag ihr einfach, worum es geht. Möglicherweise hasst sie dich, aber sie ist auch professionell.»
Vanja wandte sich Lemmel zu.
«Sie waren heute noch gar nicht in diesem Raum?»
Lemmel schüttelte den Kopf. Er begann sich umzusehen.
«Können Sie Peters Kalender irgendwo sehen?»
Der Psychologe stand noch immer unter Schock, es dauerte eine Weile, bis er antworten konnte.
«Nein. Es ist ein großes, grünes Buch, fast schon DIN -A4- Format.»
Vanja nickte und begann, vorsichtig zwischen den Papieren am Boden zu suchen, was nicht gerade leicht war, weil sie nicht darauf herumtrampeln und eventuelle Beweise zerstören wollte. Gleichzeitig spürte sie, wie wichtig es war herauszufinden, ob eine aktuelle Verbindung zwischen Peter Westin und Roger bestand. Denn falls es sie gab, nahm dieser Fall eine unerwartete Wendung.
Nach zehn Minuten gab Vanja auf. Soweit sie sehen konnte, gab es in diesem Raum keinen Kalender, und sie durfte bei ihrer Suche nicht alles auf den Kopf stellen. Ursula hatte zurückgerufen und mitgeteilt, dass sie noch mehrere Stunden am Rotevägen beschäftigt wäre, doch sie hatte mit Hanser telefoniert, die versprochen hatte, ihre besten Leute von der Spurensicherung zu schicken. Das gefiel Ursula zwar gar
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