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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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hat. Es ist wichtig, alle Einzelheiten zu kennen.» Vanja zog ihren Stuhl zurück. «Aber jetzt werde ich gehen, damit Sie beide rechtzeitig zur Arbeit und in die Schule kommen.»
    «Ich arbeite nicht. Abgesehen von ein paar Stunden in der Gemeinde. Aber das ist ehrenamtlich.»
    Eine Hausfrau! Das erklärte natürlich, warum dieses Zuhause so perfekt wirkte. Jedenfalls was die Sauberkeit anging.
    Vanja kramte eine Visitenkarte hervor und schob sie Lisa zu. Sie hielt die Karte so lange mit dem Finger fest, bis Lisa gezwungen war, hochzublicken und ihr in die Augen zu sehen.
    «Ruf mich an, falls dir noch etwas einfällt, was du über diesen Freitag nicht erzählt hast.» Dann richtete sie sich an Ann-Charlotte. «Ich finde allein raus. Frühstücken Sie nur in Ruhe weiter.»
    Vanja verließ die Küche und das Haus und kehrte zum Präsidium zurück. Unterwegs dachte sie an den toten Jungen und wurde von einem Gedanken überrascht, der sie zugleich traurig und wütend machte: Bisher hatte sie niemanden getroffen, der sonderlich erschüttert oder traurig über Rogers Tod zu sein schien.

F redrik hatte geglaubt, dass es höchstens zehn Minuten dauern würde, maximal. Rein, der Polizei Bericht erstatten und wieder raus. Natürlich hatte er gewusst, dass Roger verschwunden war. Darüber hatte die ganze Schule geredet. Wahrscheinlich hatte man auf der Runeberg-Schule insgesamt noch nie so viel über Roger gesprochen wie in der letzten Woche, ihm noch nie so viel Aufmerksamkeit gewidmet. Und gestern erst, nachdem er gefunden worden war! Die Schule hatte sofort Trauerbewältigung angeboten, und Leute, die sich in der kurzen Zeit, in der Roger hier Schüler gewesen war, nicht einen Dreck um ihn geschert hatten, hatten weinend den Unterricht verlassen, in Gruppen zusammengesessen, einander an den Händen gehalten und sich mit gedämpften Stimmen an die schöne Zeit mit ihm erinnert.
    Fredrik hatte Roger nicht gekannt und trauerte nicht direkt um ihn. Sie waren sich einige Male auf dem Gang begegnet, ein bekanntes Gesicht, nicht mehr. Wenn er ehrlich war, hatte Fredrik keinen einzigen Gedanken an Roger verschwendet, seit dieser im Herbst die Schule gewechselt hatte. Doch jetzt kam das Lokalfernsehen zu Besuch, und einige Mädchen aus der Oberstufe, die nicht mal dann mit Roger geredet hätten, wenn er der einzige Junge auf der Welt gewesen wäre, hatten Kerzen angezündet und beim Fußballtor auf dem Kiesplatz vor der Schule Blumen niedergelegt.
    Vielleicht war das ja auch gut? Ein Zeichen dafür, dass es doch noch Empathie und Mitmenschlichkeit gab? Vielleicht war Fredrik zynisch, wenn er das Verhalten der Menschen ausschließlich als Heuchelei interpretierte, als eine Möglichkeit, die tragische Begebenheit auszunutzen, um sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und eine undefinierbare Leere in sich selbst auszufüllen. Vielleicht wollten sie die Zusammengehörigkeit erleben, um überhaupt etwas zu erleben.
    Er musste an die Bilder aus dem NK -Kaufhaus in Stockholm denken, die sie im Gemeinschaftskundeunterricht angesehen hatten, nachdem Anna Lindh ermordet worden war. Berge von Blumen. Fredrik erinnerte sich daran, dass er sich damals bereits gewundert hatte. Wo kam es her, dieses Bedürfnis, Menschen zu betrauern, die wir nicht kennen? Denen wir nicht einmal persönlich begegnet sind? Offenbar existierte es einfach nur. Vielleicht stimmte nur mit Fredrik etwas nicht, wenn er die kollektive Trauer nicht fühlte oder erlebte.
    Doch er las die Zeitungen. Immerhin war es ein Gleichaltriger und kein Unbekannter, dem jemand das Herz herausgeschnitten hatte. Die Polizei suchte Zeugen, die Roger gesehen hatten, nachdem er am Freitag verschwunden war. Als Roger lediglich vermisst wurde, hatte Fredrik keinen Anlass gesehen, zum Präsidium zu gehen, denn er hatte Roger ja
vor
seinem Verschwinden gesehen. Nun hatte die Polizei aber mitteilen lassen, dass alle Beobachtungen vom Freitag, danach oder sogar davor, von Interesse seien. Also machte Fredrik mit seinem Fahrrad einen Abstecher zum Präsidium, bevor er in die Schule fuhr – und dachte, dass es sehr schnell gehen würde.
    Er sagte der uniformierten Frau hinter dem Empfangstresen, dass er mit jemandem über Roger Eriksson sprechen wolle, doch noch bevor sie überhaupt den Hörer in die Hand genommen hatte, kam ein Polizist in Zivil mit einer Kaffeetasse in der Hand auf ihn zugehumpelt und sagte, er könne gleich mitkommen.
    Seither waren – Fredrik warf einen Blick auf die

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