Der Mann, der kein Mörder war
beweisen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, weil der Polizei in Västerås ganz einfach die Kompetenz dafür fehlte.
«Das können wir gern noch einmal mit Torkel besprechen. Er sagte ausdrücklich, dass ich eng mit ihnen zusammenarbeiten soll. Außerdem besitzt dieser Junge hier ziemlich interessante Informationen, die ich ihnen gerade weitergeben wollte. Mir wäre es ja am liebsten, wenn wir einfach den Fall lösen würden, aber wenn du es vorziehst, hier herumzustehen und die Befehlskette zu diskutieren – bitte.»
Diese Nummer wollte er also abziehen. Sie als Paragraphenreiterin hinstellen, während er der gute Polizist war, dem es nur um den Fall ging. Den er selbstlos aufklären wollte. Plötzlich bemerkte Hanser, dass Haraldsson möglicherweise ein gefährlicherer Gegner war, als sie zunächst gedacht hatte.
Sie trat einen Schritt beiseite. Haraldsson lächelte siegesgewiss und humpelte von dannen. Hanser hörte, wie er so beiläufig wie möglich in das Büro der Reichsmordkommission hineinrief:
«Billy, hast du mal eine Minute?»
Vanja schlug ihren Notizblock auf. Sie hatte sich gerade dafür entschuldigen müssen, dass Fredrik gezwungen war, alles zu wiederholen, was er bereits gesagt hatte. Das ärgerte sie. Vanja wollte die Zeugen und Personen, die in den Fall verwickelt waren, als Erste anhören. Es bestand das Risiko, dass sie beim zweiten Mal nachlässiger waren, ohne sich dessen selbst bewusst zu sein. Oder dass sie Informationen wegließen, weil sie meinten, sie hätten sie bereits erwähnt. Dass sie anfingen, Informationen zu bewerten und als uninteressant einzustufen. Sie sprach nun schon zum zweiten Mal bei dieser Ermittlung mit jemandem, der nicht mehr so konzentriert war, weil er seine Geschichte bereits Haraldsson erzählt hatte. Zwei von insgesamt Zweien. Vanja schwor sich, dass das nicht noch einmal passieren würde. Sie nahm sich einen Stift.
«Du hast also Roger Eriksson gesehen?»
«Ja, am Freitag.»
«Und du bist dir ganz sicher, dass er es war?»
«Ja, wir waren in der Mittelstufe gemeinsam auf der Vikinga-Schule. Und anschließend war er zu Beginn des letzten Schulhalbjahrs auch auf der Runeberg-Schule. Dann wechselte er zur Palmlövska.»
«Wart ihr in einer Klasse?»
«Nein, ich bin ein Jahr älter.»
«Wo hast du Roger gesehen?»
«Die Straße heißt Gustavsborgsgatan, neben dem Parkplatz an der Hochschule. Wissen Sie, wo das ist?»
«Wir finden es heraus.»
Billy machte sich eine Notiz. Wenn Vanja in diesem Zusammenhang «wir» sagte, meinte sie ihn. Der Ort sollte auf der Karte eingezeichnet werden.
«Wohin ging er?»
«In Richtung Stadt. Also, welche Himmelsrichtung oder so, das weiß ich nicht.»
«Auch das finden wir heraus.»
Billy notierte erneut.
«Um welche Uhrzeit hast du ihn am Freitag gesehen?»
«Um kurz nach neun.»
Zum ersten Mal im Laufe des Gesprächs stutzte Vanja. Sie sah Fredrik mit milder Skepsis an. Hatte sie etwas falsch verstanden? Sie blickte erneut in ihre Aufzeichnungen.
«Um 9 Uhr abends? 21 Uhr?»
«Ja, kurz danach.»
«An dem betreffenden Freitag?»
«Ja.»
«Du bist dir ganz sicher? Auch in Bezug auf die Uhrzeit?»
«Ja, ich habe um halb neun mit dem Training aufgehört und war auf dem Weg in die Stadt. Wir wollten ins Kino, und ich weiß genau, dass ich auf die Uhr gesehen habe und noch fünfundzwanzig Minuten Zeit hatte. Der Film fing um halb zehn an.»
Vanja verstummte. Billy wusste, warum. Er hatte erst kürzlich den Zeitverlauf auf dem Whiteboard in ihrem Konferenzraum zusammengestellt. Roger war angeblich um 22 Uhr von seiner Freundin aufgebrochen. Laut Aussage dieser Freundin hatte er ihr Zimmer, vom Elternhaus ganz zu schweigen, den ganzen Abend über nicht verlassen. Was also hatte er genau eine Stunde vorher in der Gustavsborgsgatan zu suchen? Vanja dachte genau dasselbe. Also hatte Lisa gelogen, genau wie sie vermutet hatte. Der junge Mann, der Vanja gegenübersaß, wirkte glaubwürdig. Trotz seines jugendlichen Alters reif. Nichts an seinem Auftreten deutete darauf hin, dass er hergekommen war, um sich wichtigzumachen, einen Kick zu erleben oder weil er ein notorischer Lügner war.
«Okay. Du hast Roger also gesehen. Und warum bist du auf ihn aufmerksam geworden? An einem Freitagabend um neun müssen doch eine Menge Leute auf der Straße unterwegs gewesen sein?»
«Er ist mir aufgefallen, weil er allein war und die ganze Zeit von einem Moped umkreist wurde, Sie wissen schon, da
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