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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Parkplatz ist Endstat ion.“
    Ich seufzte.
    „Okay. Ich war eine Zeitlang nicht zu Hause. Meine Frau, na ja, ich bin jetzt auf dem Weg zurück zu ihr und freu mich drauf, sehr sogar, aber hab auch furchtbar Bammel, weil ich nicht weiß, wie das jetzt wird zwischen uns. Sie war so kalt, bevor ich weg bin, und diese Kälte möchte ich nicht noch einmal erleben, gerade jetzt nicht, wo es mir echt dreckig geht, verstehst du?“
    Ich hatte versucht, mich in seinen Worten auszudrücken, und o ffenbar hatte ich Anteilnahme bei ihm geweckt. Er schwieg, starrte übers Lenkrad, rauchte seine Zigarette zu Ende und schien über meine Situation nachzudenken. Nachdem er sich die nächste Zigarette angesteckt hatte, meinte er:
    „Hey Mann, glaub mir, Trennung ist das beste, wenn die Weiber kalt werden. Und aufgewärmt schmeckt sowieso nicht. Meine Ex-Alte schröpft mich ohne Ende, aber der Rest gehört wenigstens mir. Und so wie du au sschaust, ist bei dir eh nix zu holen.“
    Ich musste grinsen.
    „Geld ist bei uns wirklich nicht das Problem, zumindest nicht so, wie Sie jetzt denken.“
    „Hast du überhaupt nen Job?“
    „Nein. Ich muss zugeben, ich habe noch nie was Richtiges gearbeitet.“
    „Solltest du mal versuchen, Mann. So was wie das hier, mein eig ener kleiner Laster, das ist in Ordnung. Natürlich kannste mit so was nicht einsteigen. Erst mal musste Drecksarbeit machen, so weit das geht mit einem Arm, und dir was sparen. Damit kannste dann was Eigenes aufziehen.“
    „Ich glaube, das mit der Drecksarbeit kann ich überspringen. Ich habe einiges zurückgelegt.“
    „Ach ja? Wieviel denn?“
    „Es waren mal so um die 17 Millionen. Wir haben zwar recht au sschweifend gelebt die letzten Jahre, aber mein Vermögensverwalter ist ein erstklassiger Mann. Ich denke, inzwischen liegen wir über 20 Millionen, sofern die Weltlage sich gebessert hat.“
    Er schaute mich an mit einem Gesicht, das zwischen Ungläubi gkeit, Aggressivität und Erheiterung hin und herzuckte, entschied sich endlich, es als Scherz zu nehmen, lachte röchelnd und verschluckte sich fast an seiner Zigarette.
    „Alles klar, dann weiß ich ja jetzt, an wen ich mich wende, wenn ich mal nen Kredit brauche, Sir.“
    Ich lachte mit ihm und freute mich unendlich, dass es sich um keinen Witz handelte. Nun, nachdem ich am eigenen Leib erfahren hatte, wie tief man fallen konnte, wie sich fremde, dreckige, zerrissene Klamotten anfühlten und wie verdorbenes Essen schmeckte, wusste ich zum ersten Mal in meinem Leben mein Vermögen wirklich zu schätzen.
     
    Harry machte einen Umweg für mich und fuhr mich bis fast vor die Haustür.
    „Hey, denk dran, was ich gesagt habe“, rief er mir zum A bschied zu. „Klare Verhältnisse. In allem.“
    „Okay. Geben Sie mir Ihre Adresse, damit ich mich revanchi eren kann.“
    Harry lachte röchelnd.
    „Meine Adresse kriegste nicht. Du willst mich doch bloß anpumpen! Jetzt sorg mal selber für dich, du Millionär!“
    Ich sah ihm nach, wie er mit seinem Laster auf die Stadtaut obahn einfädelte. Es dämmerte, und er würde bald die 100 Dollar finden, die ich ihm halb in die Spalte zwischen Polster und Lehne des Beifahrersitzes gesteckt hatte. Der Lohn für einen guten Rat. Harry hatte recht: Aufgewärmt schmeckte nicht.
    Von meinem Standort an einer Parkbucht der Stadtautobahn aus war es eine halbe Stunde zu Fuß zu meinem Haus. Ich spürte genau das Gegenteil des großen euphorischen Vorwärtsdranges, den ich mir für diesen Moment ei ngebildet hatte. Ich war wieder zu Hause – na und? Es kam mir vor als sei ich nie weggewesen und als hätte ich nie zwei Arme gehabt.
    An der Ampelkreuzung Richtung Inne nstadt sammelten sich an dem beleuchteten Bushäuschen mit der McDonald’s-Werbung Männer und Frauen mit verschlafenen Gesichtern. Bei einem schaute der Deckel einer orangefarbenen Thermoskanne aus der schwarzen Aktentasche, die er unter dem Arm geklemmt hielt. Ich beneidete diese Leute um die bescheidene Regelmäßigkeit, mit der sie durch ihre Tage gingen, und um ihre Ahnungslosigkeit. Ein solches Leben wollte ich mir aufbauen. Aber das ging nur, wenn ich klare Verhältnisse schuf. Ich würde alles zugeben, was Melanie mir an den Kopf werfen würde: ...einfach abgehauen und alles im Stich gelassen, am Tag vor Heiligabend auch noch, wo wir doch nur wegen dir gekommen waren, verantwortungslos wie eh und je bist du, aber irgendwann reicht es einfach... –
    Du hast recht, würde ich sagen, denn letztlich hätte sie

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