Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
wurde es heiß und feucht, und mir tropften die Tränen auf ihre verwuschelten Haare.
Immer wieder sahen wir uns an, vergruben uns ineinander, s ahen uns wieder an – überrascht über uns selbst, lachten über unsere feuchten Augen und konnten es beide nicht fassen, dass wir hier standen, in diesem Teil der Stadt, beide in Garderobe aus dem Altkleidersack, aber durch nichts mehr getrennt.
„Was ist mit Mirko?“
„Dem geht es gut, er ist im Internat. Komm, wir gehen rein.“
Nachdem sie sich noch einmal so fest an mich g edrückt hatte, dass ich leise nach Luft schnappte, wischte sie sich mit dem Ärmel über die Nase, nahm die Blumen und ihre Tasche in die linke Hand und führte mich mit der rechten zur Tür. Sie sperrte auf, zog mich durch ein muffiges und dunkles Treppenhaus zwei Stufenreihen nach oben durch eine weiß gestrichene Holztür mit Spion in den langen, schmucklosen Flur ihrer Wohnung.
Sie stellte ihre Tasche ab, le gte die Blumen auf ein schwarzes, hohes Schränkchen, half mir aus meiner Jacke, zog ihre Jacke aus und führte mich weiter durch eine der Türen in ihr Schlafzimmer. Ich war verlegen, weil ich diese Innigkeit und Direktheit von ihr nicht gewohnt war und das Gegenteil erwartet hatte, war peinlich berührt vor allem, weil ich mich schämte wegen meines Armstumpfes. Als wir geheiratet hatten, war ich ein Modellathlet gewesen, ich sah nicht nur gut aus, ich hatte mit diesem Körper auch alles anfangen können – jetzt war ich ein abgemagerter Krüppel.
Ihr schien das nicht aufz ufallen, sie ging mit mir um als hätte sie während der ganzen Zeit unserer Trennung, der räumlichen der letzten Monate und der geistig-seelischen der vielen Jahre davor, nichts anderes im Sinn gehabt als mir so nahe zu sein wie möglich, sobald der Moment dafür gekommen sein würde. Sie zog die Vorhänge zu und machte Licht. Die Gardinen, der schlichte Kleiderschrank in diesem Raum, die billige Plastiklampe an der Decke, das Holzrahmenbett, nichts davon war aus unserem Haus. Was machte sie überhaupt in dieser Wohnung inmitten dieser fremden Gegenstände?
„Melanie, warum...“
Sie schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf, nahm mich an der Hand und führte mich zum Bett. Es war unbeholfen und unromantisch, wie sie mich zielstrebig, beinahe hastig auszog, so als könne sie erst glauben, dass ich zurück sei, wenn sie mit mir geschlafen habe, und es rührte mich gerade deswegen, denn sie war ganz sie selbst in diesem Moment. Sie tat, wonach ihr war, und sie tat es ohne sich durch irgend etwas ablenken zu lassen, sei es mein Magen, der laut dazwischen knurrte, worüber wir beide lächeln mussten, sei es meine Verfassung oder meine Befangenheit, seien es die grundsätzlichen Umstände, unter denen wir uns nach langer Trennung wieder begegnet waren.
Ich stieg aus der heru ntergerutschten Hose und stand nun nackt bis auf die Socken vor ihr. Sie öffnete ihre Hose, zog sie samt Slip herunter und schälte sich heraus. Wir ließen uns nicht aus den Augen. Sie warf ihren Pullover auf einen Stuhl, langte mit dem rechten Arm hinter sich und öffnete ihren BH. Ihr Körper war immer noch schlank, ihr Busen fest, aber ihre Muskeln traten nicht mehr so drahtig hervor. Sie gefiel mir besser denn je, und es war unbeschreiblich und neu, sie nackt im Arm zu halten, denn auf diese Art, uns voreinander auszuziehen in einem Schlafzimmer bei hellem Licht, waren wir noch nie zusammengekommen. Wir krochen unter die üppigen Federdecken des Bettes. Sie löschte das Licht, und ich umarmte sie fest mit dem linken Arm, während ich den rechten von uns streckte. Sie merkte das, fasste mich am rechten Oberarm und zog ihn zu sich heran. Ich genoss das Gefühl des ersten Eindringens. Es war einer der Momente, in denen noch einmal der alte Frank Fercher die Oberhand gewann.
Wir liebten uns zwei mal und schliefen Arm in Arm ein. Irgendwann wachte ich auf, weil meine Blase drückte. Ich löste mich aus ihrer Umarmung, ließ sie weiterschlafen und tastete mich zur Tür und durch den dunklen Flur, bis ich zwei Türen weiter auf der anderen Seite die Toilette gefunden hatte. Ich erkannte den Raum am Geruch, ging hinein, schloss die Tür, machte Licht und setzte mich.
Das Klo war ein enger, hoher, kalter Raum ohne Fenster mit nac kten Leitungsrohren und verformtem Linoleumboden. Die Klobrille aus Hartplastik drückte kalt und hart gegen meine Beine. Ich spülte, wusch mir die Hände und suchte die Küche.
Auch diesen Raum
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