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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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angeboten, dir zu helfen?“
    „Doch, oh doch. Hermann hat sich vorbildlich verhalten. Das Haus hat er nur mir zuliebe genommen. Ihm war das peinlich, und er wollte mir was zustecken, an den vermeintlichen Gläubigern vorbei. Aber ich musste alle Hilfe ablehnen, sonst hätte Honkes dich umgebracht.“
    „Aber wieso denn?“
    „Er hat gesagt, wenn sie herausfinden, dass ich einen Rest von Vermögen beiseite geschafft habe, statt ihm alles zu geben, bekomme ich ein paar Monate lang Post mit lauter kleinen Schnipseln von dir, heute ein Ohr, morgen ein paar Zähne, dann ein paar Finger und Zehen, einen Fetzen Haut. Deshalb habe ich genau gemacht, was er wollte, und jetzt kommst du heim, und sie haben dir trotzdem den Arm genommen.“
    Sie schluchzte und drehte den Kopf weg. Ich stand auf und zog sie an mich. Sie zitterte.
    „Er hat gesagt, es wird lange dauern, bis sie dich frei lassen. Er will ganz sicher gehen, dass ich nicht von irgendwo noch Geld aus dem Hut zaubere. Wenn ich mehr verbrauche als ich Sozialhilfe bekomme oder durch Arbeit verdienen kann, dann wird es dir dreckig gehen. Deshalb habe ich auch deinen Namen abgelegt, denn ich dachte, wenn ich Kontakt zu den Leuten von früher halte oder die zu mir, dann meint Honkes, ich kann es mir noch leisten, in diesen Kreisen zu verkehren. Das war so bitter, verstehst du, da waren meine Freunde und wollten mir helfen und ich hätte so dringend Hilfe gebraucht, aber musste mich kalt und ablehnend zeigen und mich ganz zurückziehen und sie förmlich abschütteln.“
    „Mirko...?“
    „Der hat nichts mitbekommen. Aber ich weiß nicht, wie ich das Geld für das Internat auf Dauer bezahlen soll. Ich bin bei einer Zeitarbeitsfirma als Putzhilfe eingeteilt.“
    „Als Putzhilfe?“, fragte ich ungläubig. Melanie hatte Betrieb swirtschaft studiert, im Gegensatz zu mir bis zum Diplom, und ihr Abschluss war einer er besten ihres Semesters gewesen.
    „Ich habe nichts anderes bekommen. Außerdem dachte ich, es sei am besten so, bis du wieder da bist. Honkes wollte mich ganz unten sehen.“
    „Nicht mal ein Telefon hast du.“
    „Ja, aber ... Gott sei dank, jetzt wo du da bist, können wir zur Polizei gehen, und vielleicht holen die ja unser Geld z urück. Oder wenigstens einen Teil. Hermann würde unser Haus gleich wieder räumen. Ich glaube, er ist gar nicht richtig eingezogen.“
    Ich antwortete nicht.
    „Oder? Ich meine, die Polizei wird doch verstehen, dass ich kein Risiko eingehen wollte und dass wir sie erst jetzt einschalten.“
    „Das ist es nicht. Wenn wir zur Polizei gehen, ich weiß nicht, ob... Es ist so, dass...“
    Als ich nach meiner Flucht aus dem Flughafen im Wald lag, hatte ich darüber nachgedacht, woran der Grenzpolizist erkannt haben könnte, dass mein Pass nicht in Ordnung war. Die Passagiere vor mir waren alle mehr oder weniger durchgewunken worden, nur ich wurde gründlich kontrolliert. Vielleicht war nicht mein Pass auffällig, sondern meine Person. Vielleicht war ich als flüchtiger Schwerverbrecher weltweit registriert, vielleicht lag an jeder Grenze mein Foto vor. Würde man mir glauben, wenn ich jetzt plötzlich mit dieser Entführungsgeschichte daher kam?
    Ich war in Kasachstan rechtskräftig verurteilt. Unter welchen U mständen das Urteil zustande gekommen war, ließ sich nicht nachweisen. Mir fiel auch nicht ein, in welcher Weise Honkes Spuren hinterlassen haben könnte, mit denen ich überhaupt hätte beweisen können, dass die Entführung stattgefunden hatte. Letztlich standen Melanies und meine Aussage gegen das Gerichtsurteil und mein Verhalten bei der Einreise in Frankfurt.
    Ich biss mir auf die Lippen und starrte ins Leere. Melanie sah mich erwartungsvoll an.
    „Ich muss erst darüber nachdenken, ob es ratsam ist, zur Polizei zu gehen. Vielleicht sollten wir einen Anwalt fragen.“
    „Aber warum denn? Was könnte passieren, wenn wir zur Polizei g ehen?“
    „Also, da, wo ich war...“
    Es zog sich alles in mir zusammen, als ich mit meinen Gedanken auch nur in die Nähe der ersten Tage meiner Entführung kam.
    „Wo warst du denn?“
    „In Kasachstan.“
    „In Kasachstan?! Woher weißt du, ich meine... Ho nkes sagte, du seiest in einem Keller ganz in der Nähe.“
    „Hast du denn nie einen Beweis verlangt, dass ich noch lebe?“
    „Doch. Ich bekam Fotos.“
    „Fotos? Von mir?“
    Sie nickte, löste sich von mir und ging aus dem Zimmer. Ich überlegte, wie ich ihr erzählen konnte, was mir passiert war, ob es gut für sie

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