Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
Pedanterie was Zahlen angeht war einer der Gründe dafür gewesen, dass die Katalogversand-Firma meiner Eltern sich so lange gegen den Konkurrenzdruck der damaligen Branchenriesen hatte behaupten können – und der einzige Grund, der mich auf lebenslangen Wohlstand bauen lassen konnte.
Zuletzt als Geschäftsführer für meinen Vater tätig gewesen, war Hermann nach dessen Herzinfarkt vor fünf Jahren t estamentarisch damit betraut worden, den Kampf gegen die übermächtige Konkurrenz aufzugeben, die Firma zu verkaufen, den Erlös zu verwalten und meiner Mutter und mir dafür geradezustehen, dass wir nie in finanzielle Schwierigkeiten geraten würden. Meine Mutter sollte nicht viel von dem Vermögen haben, sie starb schon ein halbes Jahr nach meinem Vater bei einem Autounfall. Seitdem konnte Hermann frei schalten und walten, und dass er hervorragend wirtschaftete, dessen konnte ich mir sicher sein, strich er doch die Hälfte aller Überschüsse ein. Mir war immer egal gewesen, was er mit dem Geld trieb, Hauptsache ich musste mich in meinem Lebensstil nicht einschränken.
Ich hatte meinen Plan in den Eckpunkten fixiert und mir die Ge lben Seiten bringen lassen, da kam Hermann mit strahlendem Lächeln und großen Schritten an meinen Tisch. Wie immer trug er einen seiner grauen Anzüge mit Weste und gestreifter Krawatte, und wie immer hing das Jackett ein wenig schief über seinen Schultern. Er stellte seine Aktentasche ab. Ich erhob mich, wir schüttelten uns herzlich die Hände.
„Dir geht es gut? Und Melanie?“
„Wir sind gesund, danke.“
„Du hältst den Kopf so geneigt. Ein Hexenschuss?“
„Ja, ist gestern Nacht passiert. Ich will nicht lange herumreden, ich brauche kurzfristig Geld.“
Er nickte, öffnete seine Aktentasche, entnahm ihr einen Block, einen Kugelschreiber und einen Taschenrechner. Wir setzten uns.
„Kannst du mir schon einen bestimmten Betrag nennen?“
„Ja. 50.000 Dollar in bar brauche ich so schnell wie möglich. E inen ähnlich hohen Betrag, schätze ich, so nach und nach. Ich will einige Sicherheitsmaßnahmen an Haus und Grundstück vornehmen.“
„Bei euch ist doch nicht eingebrochen worden?“
„Nein, du musst dir keine Sorgen machen. Weißt du, ich frage mich auch, wieviel Geld wir eigentlich besitzen, wie wir finanziell so dastehen.“
Hermann klappte die Aktentasche zu. Er schaute mich kurz an, spitzte die Lippen, wiegte den Kopf.
„Langfristig gesehen, kann euch nichts passieren, aber im Moment schaut es nicht so gut aus.“
„Wieso, was heißt das?“
„Dies sind nicht die besten Zeiten an der Börse. Ihr wisst ja, dass ein großer Teil eures Vermögens in Wertpapieren steckt. Man muss abwarten, wie es sich weiter entwickelt.“
„Soll das heißen, wenn es an der Börse weiter abwärts geht, sind wir pleite?“
„Nein, natürlich nicht. Aber wenn ich jetzt alles zu Geld machen müsste, was ihr habt, wäre bei weitem nicht das zu erlösen, was ihr hattet oder haben könntet, wenn es wieder aufwärts geht.“
Ich musste grinsen.
„Du bist doch sonst ein Freund genauer Zahlen. Nenne mir mal eine.“
Er schüttelte den Kopf.
„So aus dem Stegreif ist das unmöglich. Der Firmenverkauf hat netto vierzehneinhalb Millionen gebracht, und damals bei der Bestandsaufnahme lag euer sonstiges Vermögen bei weiteren 5,2 Millionen. Das Geld steckt in Häusern, Grundstücken, Firmenbeteiligungen und eben Wertpapieren und verschiedenen weiteren Anlageformen. Wir haben jetzt andere Zeiten. Ich schätze mal, mehr als zwei Drittel, vielleicht gar nur die Hälfte, ich müsste das erst nachrechnen... Aber, sag mal, du hast doch nicht etwa vor, das jetzt alles abzustoßen!“
„Nein, ich will nur wissen, wie ich dran bin. Sagen wir mal, ich brauche 200.000 in bar. Muss ich mich danach etwa einschrä nken?“
„Also, ich würde ganz grundsätzlich sagen, dass es nicht sch aden könnte, eure Ansprüche etwas herunterzuschrauben. In den letzten Jahren habt ihr die Substanz stark angegriffen, ansonsten hätte ich euer Geld, so wie die Börse in den Achtzigern lief, längst mehr als verdreifacht.“
„Konkret: Mehr oder weniger als 10 im Monat?“
„10.000 Mark, meinst du?“ Er wirkte erleichtert. „Kein Problem. Auch 20.000 sind drin. Aber bitte setze momentan mal bei 30.000 die Grenze. Man weiß nicht, wie es die nächsten Monate weitergeht.“
„Okay. Bis wann kann ich die 50.000 Dollar haben?“
„Auf die Hand? Ich versuche es bis übermorgen.“
Ich
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