Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
Vom Netzwerk:
brachte. Das würde ich nicht. Ich ging zurück in die Telefonze lle, wählte. Auch der achte war nicht der richtige Jürgen Rogalla. Ich rief die Auslandsauskunft an und ließ mir alle Jürgen Rogallas in Österreich geben. Als ich die drei, die dort eingetragen waren, durch hatte, versuchte ich es mit Gaststätten in Zell am See. Rogalla war ein Zecher. Wenn er wirklich dorthin gezogen war, dann musste es Wirte geben, die ihn kannten. Ich ließ mir so lange Nummern geben und rief in Gaststätten an, bis ich pleite war. Ich hatte nie gelernt, mir mein Geld einzuteilen.
    Ich wollte M elanie nicht um mehr bitten. Als sie mir von sich aus Geld gab, 100 Mark diesmal, kaufte ich einen gebrauchten kleinen Schwarzweiß-Fernseher als Begrüßungsgeschenk für Mirko. Er hatte immer seinen eigenen Fernseher gehabt. So würde ihm die Umstellung auf die neuen Verhältnisse nicht gar so schwer fallen.
     
    Er kam am Freitagabend vor Pfingsten mit dem Zug. Wir holten ihn gemeinsam vom Bahnhof ab, und er gab sich nicht die geringste Mühe, zu verbergen, dass er uns nur widerwillig besuchte. Ich selbst war erst mit 16 in das Alter gekommen, in dem ich meinen Eltern am liebsten aus dem Weg ging, aber heutzutage, so dachte ich, war die Jugend eben in allem früher dran.
    Doch es war keine pubertätsbedingte Ablehnung, mit der uns Mi rko da begegnete. Es war Verachtung. Ich hatte mir den Kopf zermartert, wie ich ihm meinen fehlenden Arm erklären konnte, ohne die scheußliche Geschichte andeuten zu müssen, und war sogar bereit, ihm als Notlüge einen Autounfall aufzutischen. Melanie bestand darauf, ihm die Wahrheit zu sagen. Er sei alt genug, und schließlich gelte es ja auch, die neuen Lebensumstände zu erklären.
    „Wo ist denn deine richtige Hand“, fragte er, als er aus dem Zug gestiegen war und ich ihm zur Begrüßung die Linke hi nhielt. Er machte ein Gesicht dazu, das zeigte, wie wenig ihn das eigentlich interessierte.
    „Dein Vater hat eine schlimme Zeit hinter sich“, antwortete Mel anie, bevor ich etwas sagen konnte. „Wir erzählen dir alles, wenn wir in unserer neuen Wohnung sind.“
    „Eine Wohnung? Was ist denn mit dem Haus?“
    „Wir sind umgezogen.“
    „Aber wieso denn?“
    Er blieb mitten auf dem Bahnsteig stehen. Melanie sah mich an. Ich beschloss, dass wir es ihm genausogut auch hier sagen konnten.
    „Ich war entführt gewesen. Deine Mutter hat so viel Lösegeld für mich bezahlen müssen, dass sie das Haus verkaufen musste.“
    „Und was ist mit meinem Zimmer? Und meinen ganzen Sachen?“
    „Einen Teil deiner Sachen haben wir in der neuen Wohnung.“
    „Welchen Teil? Und was ist mit dem anderen Teil? Meine Schallplatten habt ihr doch noch, oder?“
    „Komm, wir reden zu Hause weiter.“
    Melanie nahm ihm seine Tasche ab und ging voraus. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, aber war zutiefst verletzt.
    „Habt ihr etwa auch keine Autos mehr?“, fragte Mirko, als wir auf die Warteschlange der Taxis z usteuerten.
    „Nein, ich habe alle verkaufen müssen“, antwortete Melanie sanft. Ich spürte seine Ablehnung wachsen, und mir verging die Lust, ihm irgend etwas zu erzählen.
    „Parkstraße 8, bitte“, informierte Melanie den Taxifahrer.
    „Parkstraße? Was ist denn das für ein Viertel?“, fragte Mirko.
    „Im Norden der Stadt“
    Er verzog ganz leicht den Mund. Während der Fahrt sah er zum Fe nster hinaus und brütete vor sich hin. Als wir angekommen waren, warf er einen kurzen Blick auf das Haus und fragte:
    „Kann ich nicht bei Lolo und seinen Eltern wohnen? Denen macht das nichts aus, ich bin da i mmer eingeladen.“
    „Sicher, Schatz“, sagte Melanie und sah mich traurig an. Mi rko blühte auf.
    „Ich besuche euch auch mal“, versprach er und wandte sich dann gleich dem Fahrer zu: „Schöne Aussicht 48.“
    Wir stiegen aus, und Melanie gab dem Fahrer 30 Mark, was reichte, aber offenbar knapp kalkuliert war, denn er brummte nur statt danke zu sagen. Wir sahen dem Taxi nach.
    „Du darfst ihm das nicht übel nehmen“, sagte Melanie, legte mir den Arm um die Hüfte und drüc kte sich an mich. „Du weißt doch, wie wir in dem Alter waren.“
    „Ich nehme es ihm nicht übel, wirklich nicht. Er hat allen Grund, sauer zu sein, denn das war auch sein Vermögen, das jetzt weg ist. Und wir haben ihn auf dieses Luxus-Internat g esteckt.“
    „Ja, aber das Leben seines Vaters müsste ihm wichtiger sein.“
    „Du weißt, wir sind uns nie besonders nah gewesen, und das war meine

Weitere Kostenlose Bücher