Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
hatte: eine Telefonzelle. Die Durchwahl kannte ich immer noch auswendig.
„Kein Anschluss unter dieser Nummer.“
Ich blätterte im Telefonbuch, wählte: „Kein Anschluss unter dieser Nummer.“
Ich gab die Nummer der Auskunft ein und fra gte nach Jürgen Rogalla und dem Security Service Stefan Sasse.
„Bei uns ist keiner dieser Anschlüsse verzeichnet.“
„Könnten Sie bitte mal bundesweit nachschauen?“
„Die Firma gibt es in der ganzen Bundesrepublik nicht.“
Auch einen Privatanschluss von Stefan Sasse gab es nicht, aber den Namen Jürgen Rogalla insgesamt acht mal. Ich schrieb mir alle Nummern auf, telefonierte sie gleich durch, konnte vier Anschlüsse aussondern. Beim Rest würde ich es am Abend noch einmal versuchen.
Ein Tag kann verdammt lang werden, wenn man nichts zu tun hat. Ich lieh mir in der Bücherei zwei Kochbücher. Mein Bibliothek sausweis war noch bei meinen Papieren gewesen und wurde nicht hinterfragt. Ich kaufte Spaghetti und verschiedene Zutaten ein, dazu einen preisgünstigen Wein, und brachte so die Zeit bis zum späten Nachmittag herum. Bevor ich in die Wohnung zurückging, suchte ich noch einmal eine Telefonzelle auf, sonderte weitere drei Nummer aus; bei der letzten wurde noch immer nicht abgehoben.
Als Melanie gegen halb sieben von der Arbeit kam, standen die Spaghetti und eine dampfende Tomatenkräutersoße auf dem Tisch, und ich hatte es sogar g eschafft, die Flasche zu entkorken.
„Wie war dein Tag?“, fragte ich, und wir mussten beide schmu nzeln angesichts dieser Frage, die wir uns wohl noch nie gestellt hatten.
„Ganz okay. Ich habe beschlossen, die Putzerei aufzugeben und mir was Angemessenes zu s uchen.“
Ich zeigte ihr die Zeitungsanzeige des Getränkemarktes. Sie zog die Nase kraus und schüttelte den Kopf.
„Ich dachte, weil wir das zusammen machen könnten“, sagte ich enttäuscht.
„Ich will mich bei ein paar Banken bewerben. Wenn das klappt, verdiene ich genug für uns beide. Wir war überhaupt dein Tag?“
Ich zuckte die Schultern.
„Ich habe versucht, den Jürgen Rogalla zu erreichen, aber w eder er noch Sasse sind noch in der Stadt registriert. Die ganze Firma scheint es nicht mehr zu geben.“
„Was wolltest du denn von denen?“
„Ich dachte, Rogalla könnte sich mal ein bisschen umhören.“
„Du willst ihn doch nicht auf Honkes ansetzen?“
„Hm, mir geht es in erster Linie darum, ein bisschen mehr zu erfahren über meine Möglichkeiten, weißt du...“
„Was denn für Möglichkeiten?“
Ich ärgerte mich, dass ich etwas gesagt hatte. Denn alles, was ich an Erklärungen zu bieten hatte, führte dahin, zuzugeben, dass ich in Kasachstan – und vielleicht auch in Deutschland – als ein gesuchter Schwerverbrecher galt.
„Ich bin lange weg gewesen. Und das mit der Entführung, weißt du, vielleicht...“
Sie griff über den Tisch und nahm meine Hand.
„Frank, ich traue weder diesem Rogalla noch seiner Firma. Dass es diesen Laden nicht mehr gibt, sagt doch schon viel, ich meine... wer weiß, ob diese Schnüffler nicht sogar alles provoziert h aben.“
„Was meinst du?“
„Den Honkes herausgefordert, ihn überhaupt auf die Idee mit der Entführung gebracht. Womöglich stecken sie sogar mit ihm unter einer Decke.“
„Das ist doch Unsinn.“
Sie schüttelte den Kopf.
„Du musst mir versprechen, dass du dich mit diesen Leuten nicht mehr einlässt. Wenn du etwas unternehmen willst, dann geh zur P olizei.“
„Das kann ich nicht.“
„Warum denn nicht?“
„Weil... die stellen Fragen und rühren alles auf, ich will das nicht. Und helfen können sie uns doch nicht. Wenn auf die Verlass wäre, hätte ich überhaupt nicht entführt werden dürfen.“
„Das gilt für deinen Rogalla genauso.“
„Nein, weil der war ja...“ – wie war das noch mal? Bei den Ren nhäschen auf der Alm? In Zell am See? Gab es da überhaupt Almen?
„Bitte, versprich mir, dass du nichts unternimmst, was uns noch mal gefährdet.“
Ich nickte.
„Gut.“
Sie lächelte.
„Die Spaghetti sind ausgezeichnet. Du könntest doch ein Resta urant aufmachen.“
„Das Gasthaus zum einarmigen Koch.“
Wir lachten, aßen, hatten einen wunderschönen Abend. Melanie bestand darauf, allein abzuwaschen, und ich hatte damit Gelegenheit, noch einmal eine Telefonzelle aufzusuchen. Ich tippte die Nummer halb ein, legte wieder auf, verließ die Telefonzelle, blieb stehen und überlegte.
Ich hatte es ihr versprochen. Was? Dass ich uns nicht in Gefahr
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