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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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überhaupt stimmt, was du g ehört hast.“
    „Hast du einen besseren Vorschlag, wo wir suchen könnten?“
    „Nein, im Moment nicht. Mir kommt das nur vor wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Vielleicht ist er schon fünfmal hinter uns vorbeimarschiert. Oder er beobachtet längst uns.“
    „Möglich ist alles.“
    „Was sollte er hier überhaupt wollen in diesem Touristenrummel?“
    „Wo Touristen sind, sind auch gutgehende Lokale, und gutg ehende Lokale sind sein Business. Also sind wir hier schon mal nicht ganz falsch.“
    „Ist nicht oben im Funkturm ein Restaurant?“
    Er schielte nach oben und stopfte sich das letzte Stück Bratwurst in den Mund.
    „Gar nicht so schlecht, Watson. Da sollten wir gleich mal hoch d üsen.“
    „Das kannst du ja machen. Ich halte hier unten die Augen o ffen.“
    „Ach ja? Ich denke, du willst überall dabei sein?“
    „Da nicht.“
    „Hast du Angst, dass sie keine Ossis reinlassen?“
    Er grinste mich an. Ich nahm einen Schluck Cola und ignorierte die Bemerkung.
    „Jetzt sag schon.“
    „Ich bin nicht so gern in hohen Gebäuden.“
    „Unser Watson hat Höhenangst, ist ja köstlich.“
    „Ich habe keine Höhenangst. Mir ist nur nicht so wohl dabei.“
    „Alles klar. Wir treffen uns hier in einer Stunde wieder.“
    Er marschierte Richtung Funkturm, und ich blieb auf dem Brunnen sitzen, schob mir die Brille auf die Nasenspitze und lugte darüber. Von hier aus hatte ich einen besseren Blick als im Menschengedränge rund um die Läden am Turm.
    Ich überlegte, warum ich so lustlos und missgelaunt war. Vie lleicht, weil mir unbewusst klar wurde, dass ich auch jetzt nicht lenkte, sondern gelenkt wurde. Honkes das Geld wieder abzujagen, war doch meine Initiative, oder? Aber es lief auf etwas hinaus, das ich nicht im Griff hatte. Dass Rogalla versuchte, in allem den Ton anzugeben, machte mir weniger Sorgen als die Tatsache, dass die Ereignisse wie vorbestimmt in eine Richtung drängten. Ich wollte mein Leben in ruhigere Bahnen lenken, dabei wurde alles immer gefahrvoller, komplizierter und aussichtsloser.
    Es musste auch andere Möglichkeiten geben, zu einem befriedigenden Leben zu finden, als die Konfro ntation mit Honkes. Ich wollte doch nichts weiter als von meiner Frau respektiert und geliebt zu werden und einigermaßen versorgt zu sein. Das hatte ich gehabt und wider besserer Vorsätze verschmäht, aber es mir zu bewahren, dafür war es noch nicht zu spät. Wegen eines Vermögens, das ich mein Leben lang nicht zu schätzen gewusst hatte, alles aufs Spiel zu setzen, schien mir plötzlich als Irrsinn.
    Ich beschloss, aus dieser absurden Verfo lgungsjagd auszusteigen, sobald Rogalla vom Turm zurück sein würde. Sollte er allein weitermachen, mir egal. Notfalls würde ich nach Hause trampen.
    Ich stand auf und sah mich um. Sollte ich ihm entgegengehen? Aber was, wenn wir uns verpassten? Im Gedränge neben mir sah ich eine schwarze Lederjacke, die mir bekannt vorkam. Die nach hinten g espachtelte Frisur, der halslose Nacken, die wuchtigen Schultern, die langen Beine – vor allem aber meine Gänsehaut. Mein Unterbewusstsein hatte ihn vor meinem Verstand erkannt, auch von hinten. Er war direkt an mir vorbeigelaufen und steuerte Richtung Funkturm.
    Ohne nachzudenken folgte ich ihm auf sieben, acht Metern A bstand. Ich war erfüllt von der Aufgabe, ihn nicht zu verlieren. Jeden Moment musste Rogalla uns entgegenkommen. Honkes lief zielstrebig am Turm vorbei, überquerte an einer Ampel die Straße, passierte auf der anderen Seite ein paar Geschäfte und verschwand in einer Toreinfahrt. Ich schaute mir die Klingelleiste an: ein Zahnarzt, ein Möbelgeschäft, ein Reisebüro, ansonsten Privatwohnungen, aber keine Klingel mit dem Namen Honkes.
    Verdammt! Sollte ich hier nun warten, bis er wieder herau skam, um seine Spur nicht zu verlieren, oder sollte ich Rogalla holen gehen? Ich entschied mich für Letzteres.
    Blindlings rannte ich über die stark befahrene, sechsspurige Straße, wurde angehupt und fast u mgefahren, kam heil drüben an und spurtete zurück zu dem Brunnen. Der leere rechte Ärmel war mir aus der Tasche gerutscht. Egal, ich ließ ihn an mir herumpendeln. Rogalla war noch nicht zurück. Ich fragte einen Passanten nach der Uhrzeit. Er war schon zehn Minuten überfällig, musste also jeden Moment kommen. Und wenn nicht? Von hier aus hatte ich die Toreinfahrt, in der Honkes verschwunden war, nicht im Blick.
    Ich rannte zum Turm, umrundete den Komplex einmal,

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