Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
erstreckte sich in dem diffusen Licht, das durch die Öffnung fiel, ein Meer von Schotter auf einer Fläche von vielleicht 20 mal 20 Meter. Zur Mitte des Raumes hin fielen die Steinmassen kraterförmig nach innen ab, zu den Rändern hin um gut und gern drei bis vier Meter, so als sei ein gigantischer Sog in der Bewegung erstarrt.
Im Zentrum dieses Soges, dort, wo sich in wer weiß wie vielen M etern Tiefe die Klappe befand, durch die früher die Schotter-Lastwagen befüllt worden waren, hockte Honkes und räumte mit den Händen Steine beiseite. Rogalla stand breitbeinig über ihm und zielte mit der Pistole auf seinen Kopf. Unter mir entdeckte ich eine eiserne Leiter, über die ich die zwei Meter von der Öffnung hinunter auf die Lagermasse kletterte. Das harte Knirschen des Schotters, das meine Füße verursachten, als ich unten ankam, verursachte in diesem überdachten Hohlraum einen besonderen Nachklang.
„Pass auf“, rief mir Rogalla zu, „geh möglichst langsam, damit nicht alles in Bewegung gerät.“
In dieser Falle aus instabil gelagerten Steinwogen war mir ohnehin nicht nach schnellen Bewegungen zumute. Schritt für Schritt tastete ich mich nach unten. Als ich neben Rogalla ankam, erdrückte mich das Gefühl, gleich lebendig begraben zu werden: Von allen Seiten wurden wir um mindestens drei Meter überragt von schräg abfallenden Schottermassen, die jeden Moment in Bewegung geraten konnten.
Ein perfektes Versteck, so musste ich Honkes in Gedanken beipflichten. Kein Mensch, der so leichtsinnig war, das Förde rband zu erklimmen, würde auch noch den Wahnsinn auf sich nehmen, sich ins Zentrum dieses erstarrten Soges zu begeben, der jederzeit wieder losbrechen, alles verschlingen, ersticken und zerquetschen konnte. Auch Honkes hatte sichtlich Respekt vor der Situation, in der wir uns befanden. Er grub stetig, aber langsam und bedacht, und schließlich kam, in etwa einem halben Meter Tiefe, der Deckel einer Holzkiste zum Vorschein.
„Aufmachen!“, befahl Rogalla.
Sein Gesicht gefiel mir gar nicht. Siegesgewissheit und Gier verzerrten seine Züge.
Der Deckel der aus dicken Bohlen gefertigten Kiste war mit e inem faustgroßen Vorhängeschloss gesichert. Honkes holte einen Schlüsselbund aus der Tasche, öffnete das Schloss, hob den Deckel – zum Vorschein kamen säuberlich geschlichtete Tausendmarkbündel.
„Watson“, sagte Rogalla, ohne mich anzuschauen, und leckte sich über die Lippen. „Watson, wir haben es geschafft.“
In mir verfestigte sich das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Wie sollten wir diese Kiste hoch zur Öffnung und übers Förderband hinunter bekommen und dabei Honkes unter Kontrolle halten?
„Jacke runter!“, befahl Rogalla. Selbst Honkes überraschte di eser Befehl.
„Neben der Kiste ausbreiten, los!“
Honkes breitete seine Jacke aus.
„Und jetzt schlichtest du das Geld schön Bündel für Bündel in deine Jacke.“
„Willst du es nicht lieber in der Kiste lassen?“, fragte Honkes.
„Nein, will ich nicht. Jetzt mach schon.“
Zögernd begann Honkes, den Befehl auszuführen. Irgend etwas stimmte hier nicht. Selbst als die erste Schicht Tausender abgetragen war, begriff ich noch nicht. Darunter kamen weitere Geldbündel zum Vorschein, jetzt allerdings Hunderter. Rogalla verging das Grinsen. Die Kiste, die bis auf die Öffnung im Schotter steckte, erwies sich als flach. Bei Kantenlängen von vielleicht einem auf einen halben Meter hatte sie eine Tiefe von gerade mal 30, höchstens 40 Zentimeter. Ein flacher Haufen von Geldbündeln bedeckte Honkes Jacke, als der Kistenboden zum Vorschein kam.
„Das ist höchstens eine Million“, knurrte Rogalla. „Wo ist der ve rdammte Rest?“
Honkes warf das letzte Geldbündel auf den Haufen und stand auf.
„Welcher Rest?“, fragte er.
„Die anderen 14 Millionen. Glaubt du, wir wissen nicht, was se ine Frau an Lösegeld an dich berappt hat?“
„Das hier ist mein Anteil, mehr hab ich nicht mehr.“
Rogalla machte einen Schritt auf Honkes zu, setzte ihm die Mündung der Pistole an die Stirn und fragte:
„Wo ist der Rest?“
„Das ist alles, mehr...“
„Wo ist der Rest?“, schrie Rogalla so laut und schrill dazw ischen, dass ich zusammenzuckte.
„Okay, du hast recht, es waren knapp 15 Millionen“, sagte Ho nkes und schielte auf den Pistolenlauf an seinem Kopf. „Eine Million ist an Spesen für die Entführung draufgegangen, Reisekosten, vor allem aber Schmiergelder für Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt,
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