Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
lächelte, und wir stießen an. Der Sachteil des Gespräches war erledigt, nun ging es ums Wetter, um Hermanns Frau, um seine Ki nder...
Allein die Tatsache, dass der erste Schritt zu meiner ersten Ma ßnahme auf Anhieb geklappt hatte, erfüllte mich, obwohl es gar nicht anders zu erwarten gewesen war, mit einer Zuversicht, als seien damit schon alle Probleme gelöst. Nicht mal eine Stunde später, wir hatten gegessen, bezahlt und verließen das Gasthaus, wurde ich in die Wirklichkeit zurückgeholt.
Schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite sah ich in seiner schwarzen, knarrenden Lede rjacke den Zerstörer meiner Haustür stehen, und mit einer Sekunde Verzögerung sah er auch mich. Er war abgelenkt gewesen, jemand redete auf ihn ein. Als er mich erkannte, reagierte er sofort und verschwand hinter der Hausecke. Ich rannte hinterher, wich über die Straße gerade noch einem Radfahrer aus, erreichte die Ecke, sah ihn 50 Meter weiter hinter einer anderen Ecke verschwinden. Als ich dort anlangte, war er abgetaucht. Ich spurtete weiter bis zum nächsten Abzweig – nichts.
Als ich zurückkam, war auch der andere Kerl verschwunden. He rmann wartete drüben am Burgkeller.
„Ich nehme mal an, dieser Zwischenfall hatte mit dem Thema uns eres Treffens zu tun“, stellte er stirnrunzelnd fest.
Sein Blick brachte mich in Rage. Es lag der gleiche Ausdruck da rin wie in Silkes Blick heute Morgen und Melanies Blick gestern Abend: Auf was für Dummheiten hast du dich nun schon wieder eingelassen?!
„Ich habe alles im Griff“, versicherte ich ihm, patschte ihm zum A bschied auf die Schulter, was uns beide irritierte, denn für derlei Vertraulichkeiten war unser Verhältnis, bei aller freundschaftlichen Zuneigung, zu distanziert, und stellte auf dem Weg zum Parkhaus fest, dass der Schmerz in meinem Nacken die dumpfe Qualität fortgeschrittener Heilung angenommen hatte.
„Fercher. Ich habe einen Termin bei Hauptwachtmeister Obermeier.“
Die gerippte Gegensprechanlage rauschte. Endlich ein Summton. Ich drückte gegen die Glastür zur Vorhalle der Polizeidirekt ion, und sie öffnete sich mit einem schnappenden Geräusch. Durch ein kleines ovales Fensterchen in der Panzerglasscheibe zum Empfangszimmer spitzte eine füllige Frau mit nach hinten gewellter Perücke heraus.
„Zweiter Stock, linker Gang, hinterstes Büro.“
„Danke.“
Ich nahm die Treppe statt des Fahrstuhls und schritt zügig durch die Gänge. Unterwegs hierher hatte ich mich in Fahrt gedacht: E inen in Schwierigkeiten bringen, zu spät kommen, nichts unternehmen, Auskünfte verweigern – die würden was zu hören bekommen.
Hauptwachtmeister Obermeier entwaffnete mich mit einem herzl ichen Lächeln und einem unaufgeforderten Lagebericht, der freilich nichts war als in viele warme Worte gehüllte Ergebnislosigkeit. Wir setzten uns an seinen Schreibtisch.
„Irgendwas passiert seit gestern Nacht?“
„Allerdings. Vor einer halben Stunde kam ich vom Mittagessen aus dem Burgkeller. Was meinen Sie wohl, wer auf der anderen Straßenseite gelauert hat?“
„Und was hat er gemacht?“
„Als er mich sah, rannte er weg. Ich hinterher, aber zwei Ecken weiter war er verschwunden.“
„Das sollten Sie nicht tun.“
„Was?“
„Ihn verfolgen. Wenn Sie ihn mal wieder sehen, rufen Sie bi tte sofort bei uns an.“
„Kann ich denn nicht hoffen, dass Sie ihn bald mal aus dem Verkehr ziehen und es gar nicht mehr zu einer solchen Szene kommt?“
„Natürlich können Sie das hoffen.“
„Heißt das, man kann nur hoffen oder bald mit Ergebnissen rec hnen oder was?“
„Es gibt keine Erfolgsgarantie, das hier ist keine Klei nstadt. Ich will Sie nicht beunruhigen, aber vielleicht wäre es das Beste, wenn Sie und Ihre Frau für einige Zeit verreisen. Der Bursche denkt, dass er über Sie leicht und schnell zu Geld kommt. Wenn Sie für ihn nicht mehr greifbar sind, muss er weitermachen wie bisher, das heißt Ladendiebstahl, Einbrüche, dealen... Und dabei kriegen wir ihn mit höherer Wahrscheinlichkeit als jetzt. Und dann kommt er nicht mehr so schnell auf freien Fuß.“
„Aber irgendwann schon. Wie schnell wird das sein? Nach ein paar M onaten?“
Der Polizist senkte den Blick und lächelte mild.
„Ich verstehe Sie gut. Sie wollen eine dauerhafte Lösung. Sie wollen sicher sein, ihn für immer los zu werden.“
„Was, wenn Sie mir seinen Namen geben...“
„Herr Fercher...“
„Lassen Sie mich bitte ausreden. Er will nach Amerika, das ist
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