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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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die Schmerzen im Nacken vergangen, stellten sich Beschwerden im rechten Arm ein, die sich über Tage hinweg verstärkten, statt wie gewohnt rasch abzuklingen. Saß ich vornüber gebeugt oder lag ich auf dem Bauch, begann sofort der ganze Arm zu kribbeln als sei er eingeschlafen. Zuweilen hatte ich das Gefühl, der Arm stehe unter Strom, werde von Tausenden von Nadeln durchbohrt oder sei kurz davor zu platzen. In den Kuppen von Daumen und Zeigefinger setzte sich ein Gefühl von Taubheit fest, das auch nicht verschwand, wenn ich die Körperhaltung änderte – lindern konnte ich es nur, indem ich die Fingerspitzen gegeneinander rieb.
    Zu einem Arzt ging ich natürlich nicht. Statt dessen ve rsuchte ich, mich mit Aushängen und Dehn- und Lockerungsübungen in Hals und Nackenbereich selbst zu therapieren. Das Kribbeln im Arm und die ständige Taubheit der Finger gaben mir den etwas paranoiden Eindruck, als sei es dem Erpresser gelungen, nicht nur auf mein Grundstück einzudringen, meine Ehe zu entzweien, mich viel Geld zu kosten und meinen gewohnten Tagesablauf auf den Kopf zu stellen, sondern sich auch in meinen Körper einzuschleichen und meine Heilkraft zu lähmen.
    Aus heutiger Sicht erscheinen mir die Pr obleme, die ich damals mit dem rechten Arm hatte, lächerlich, aber ich bin mir sicher, dass ich ohne das mir den Erpresser allgegenwärtig machende Kribbeln und die Taubheit in den Fingern nie die Maßnahme ergriffen hätte, die später dazu führen sollte, mir in aussichtsloser Lage Hoffnung auf Rettung zu geben.
    Während der ersten Tage, in denen ich unter dem Schutz des „Sec urity Service Stefan Sasse“ stand, hielt ich diese Maßnahme noch für die wichtigste im Paket meiner Listenpunkte zur dauerhaften Abwehr des Erpressers. Sie war auch der Grund, weshalb ich so darauf aus war, seinen Namen zu erfahren: Ich wollte Kontakt zu seiner Familie in Kasachstan aufnehmen. Kronsweide, der Name seines Heimatortes, war der einzige Anhaltspunkt für mich. Aber was nutzte mir der bei der Auslandsauskunft, wenn ich keinen Personennamen dazu angeben konnte?
    Ich grübelte zwei Tage lang über Möglichkeiten nach, den Date nschutz unserer Behörden zu umgehen und mir den Namen des Kerls unter irgendeinem schlauen Vorwand beim Einbürgerungsamt zu besorgen, bis ich endlich auf das Naheliegende kam, mich statt dessen an offizielle Stellen in Kronsweide zu wenden: Ortsverwaltung, Feuerwehr, Pfarrämter, weiß der Kuckuck, irgendwas davon würde es doch wohl auch dort geben.
    Damit allerdings schien ich die Auslandsauskunft zu überfo rdern. Immerhin hörte es damals gerade erst auf, ein Problem zu sein, auf Anhieb eine Verbindung mit einem Gesprächspartner in einem der neuen Bundesländer zu bekommen. Der erste Operator, an den ich geriet, ließ mich abblitzen:
    „In K asachstan? Und dann auch noch in einem Dorf irgendwo in der Steppe? Eher kann ich Ihnen die Durchwahl vom Nikolaus am Nordpol besorgen.“
    Ich wählte sofort noch einmal und hatte eine Frau am and eren Ende der Leitung. Sie notierte sich meine Angaben und versprach mir, zu recherchieren und mich am nächsten Tag zurückzurufen.
    „Ich würde sagen: Vergessen Sie es“, urteilte Jürgen Rogalla, als ich ihm von diesem ersten kleinen Hoffnungsschimmer erzählte. M elanie war vor drei Tagen abgereist. Wir telefonierten jeden Abend und waren uns bei diesen Gesprächen näher als in den letzten Monaten ihrer Anwesenheit.
    Auch mit Silke hatte ich am Tel efon gesprochen. Sie hatte sich für ihre allzu heftige Reaktion mir gegenüber entschuldigt und sie mit dem Schock begründet, den es ihr versetzt habe, als sie unsere Haustür gesehen hatte. Wir einigten uns darauf, dass sie fürs erste drei Wochen Urlaub nahm, auch mit ihr schien alles wieder im Lot.
    Ich hatte in diesen Tagen ein selten verspü rtes Bedürfnis, mich anderen Menschen zu öffnen, mich ihres Rückhaltes zu versichern, und da der angeblich beste Personenschützer von „Security Service Stefan Sasse“ ohnehin ständig um mich war, und da ich, sei es aufgrund der Situation, ihm meine Sicherheit anvertraut zu haben, oder aufgrund spontaner Sympathie, in ihm auch einen privaten Ansprechpartner sah, tauschte ich mich eben mit ihm aus.
    Jürgen Rogalla war an die 40, so groß wie ich und von aufrec hter Haltung, ohne dabei militärisch steif zu wirken. Im Gegensatz zu seiner Führungsriege trat er locker auf, Jeans und Polo-Shirt, dazu Turnschuhe. Er war nicht sonderlich muskulös, aber strahlte

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