Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
Füße. Im gelben Passat hatte der Fahrer sich umgedreht und setzte ein Stück zurück, um auszuparken. Der Kerl, der den Kofferraum bewacht hatte, durchschaute meine Absicht und trat zwischen mich und den Passat. Ich stand taumelnd mitten auf der Fahrspur zur Autobahn und dachte: Gewonnen, so oder so! Entweder bleibe ich unbehelligt und stoppe den Passat, oder mein Bewacher versucht das zu verhindern, mich wieder einzufangen und erregt dadurch den Verdacht des Fahrers. Selbst wenn er mir nicht hilft, wird er die Polizei informieren, und das war es dann.
Der Passat bog von der Parkbucht auf die Fahrspur ein, der Mann am Steuer nahm mich erstmals wahr, und gerade wol lte ich die Arme heben und ihm Zeichen zum Anhalten geben, da traf mich eine Ladung nasser Schnee im Gesicht. Ich wankte, war irritiert, fuhr mir mit den Händen zum Gesicht, und als ich die Augen öffnete, sah ich den Passat vorbeirollen, den linken Vorder- und Hinterreifen auf dem Grünstreifen, um an mir, der ich mitten auf der Fahrbahn stand, vorbeizukommen. Der Fahrer tippte sich mit dem Finger an die Schläfe, sein Blick sagte: Erwachsene Männer, Mercedesfahrer auch noch, und dann führen sie eine Schneeballschlacht mitten auf der Fahrspur auf und behindern unbescholtene Bürger.
Eine weitere L adung Schnee durchsetzt mit Split traf mich mit brutaler Wucht am linken Ohr. Ich schüttelte mich. Der Passat war vorbei, ich lief ihm hinterher, der Fahrer beschleunigte. Von rechts sah ich Honkes herankommen, der einen Schneeball knetete und nach mir warf. Er grinste dazu, wir beide dachten wohl Stein und Tür. Ich wich nach links Richtung Autobahn aus, aber mitten über den Grünstreifen lief ein Maschendrahtzaun parallel zur Autobahn, an dem meine Flucht kläglich endete. Ich versuchte mich darüber zu schwingen, aber der Draht war leicht und biegsam und gab unter meinem Tritt nach. Ich verhedderte mich, krallte mich fest, als Honkes und sein Helfer versuchten, mich herunterzupflücken, bekam dafür einen Faustschlag gegen den Hinterkopf, wurde taumelnd abgeführt über die Fahrspur zur Parkbucht, am helllichten Tag neben einer stark befahrenen Autobahn, und keiner sah es.
Aber es kam noch krasser. Sie warfen mich nicht zurück in den Kofferraum, sondern zerrten mich an der Bau mgruppe vorbei in den Wald. Ein dritter Komplize kam uns mit einem prall gefüllten Plastikbeutel hinterher. Sie stießen mich, auf einem Waldweg vor Blicken geschützt, in den Schnee, versetzten mir Fußtritte in den Bauch, bis ich einer Ohnmacht nahe war, zogen mich aus, rieben mich mit Schnee und Wasser aus einer Pfütze ab, sogen die Feuchtigkeit an mir notdürftig mit einer Wolldecke auf und zogen mir fremde Sachen an, die der dritte Kerl aus seiner Plastiktüte zog: eine graue Hose, einen braunen Rollkragenpullover, Turnschuhe und einen Parka, alles muffig und abgewetzt wie aus dem Altkleidercontainer. Das Etikett des Pullovers kratzte mich im Nacken, es ekelte mich. Sie kämmten mir, ich war fassungslos über ihre Gelassenheit dabei, sogar meine nassen Haare zu einem Scheitel auf der rechten Seite, sonst trug ich ihn links, während ich vornüber gekrümmt versuchte, mich auf den Beinen zu halten.
Einer steckte meine nassen, verschmutzten Sachen in den Plasti kbeutel. Mein Mantel passte nicht mit hinein. Der Kerl fischte mein Dokumentenmäppchen aus der Innentasche und hielt dann den Mantel, der am meisten Erbrochenes abbekommen hatte, mit spitzen Fingern von sich. Knallharter Kidnapper, aber etepetete wie eine Internatsgöre, dachte ich, schämte mich des Schmutzes, den ich verursacht hatte und ärgerte mich zugleich meiner Scham vor diesen Verbrechern.
Ein vierter Komplize kam mit meinem Mercedes a ngefahren. Sie schleuderten den Plastikbeutel und meinen Mantel in den Kofferraum. Mein Herz raste vor Panik davor, hinterhergeworfen zu werden in das kalte, stockfinstere, schaukelnde Verlies. Aber sie dirigierten mich auf den Rücksitz, je einer der Komplizen drängte sich neben mich, Honkes stieg auf der Beifahrerseite ein. Der Kerl am Steuer stieß zurück zum Rastplatz, und schon waren wir unterwegs zur Autobahn. Menschen auf dem Rastplatz, eine Familie mit Kindern, sie bemerkten nichts. Kaum hatte der Fahrer sich auf der rechten Spur eingeordnet, zog Honkes einen roten Wollschal aus der Tasche und reichte ihn nach hinten.
„Augen verbinden“, befahl er, und der Kerl rechts neben mir g ehorchte sofort. Ich wurde nach vorn gedrückt, musste mich über meinen Knien
Weitere Kostenlose Bücher