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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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zusammenkauern, was mir rasende Schmerzen im linken hinteren Oberschenkel verursachte.
    „Er stinkt immer noch“, kam es von links neben mir. Sie spr achen tatsächlich deutsch.
    „Wenn ich so sitzen muss, wird mir wieder schlecht“, meldete ich mich mit einer Stimme, die ich selbst nicht erkannte.
    „Maul halten!“ kam es von rechts. Honkes war auf einmal neben meinem Ohr. Er drückte mir etwas in die Hand, ich erkannte tastend meine Dokumentenmäppchen.
    „Hör zu, wir kommen jetzt gleich an eine Grenze. Du wirst schön mitspielen, deinen Ausweis zeigen, lächeln und einen auf U rlaub machen. Wir sind zu fünft, verstehst du?“
    Ich verstand nicht.
    „Kapierst du?“
    Er – oder einer der anderen – versetzte mir e inen Schlag mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf.
    „Nein, verstehe nicht.“
    „Ich will es mal so sagen: Wenn wir gut über die Grenze kommen, dann rufe ich von drüben bei dir zu Hause an, und unser Partner dort wird deine Familie in Ruhe lassen. Wenn ich nicht anrufen kann innerhalb der nächsten Stunden, na ja...“
    „Wir sollten ihn lieber zurück in den Kofferraum stecken“, kam es von links neben mir. Ich versuchte mir das Gesicht dazu vorz ustellen, die Kleidung dieses Mannes, aber von meiner Flucht war nur die Erinnerung in mir geblieben, mit Schneebällen beworfen, geschlagen, mit Schneematsch und Pfützenwasser gewaschen, umgezogen und falsch gekämmt worden zu sein.
    „Dazu muss ich nichts sagen, Arschloch, oder“, wetterte Ho nkes.
    „Mir wird schlecht“, würgte ich hervor. Aus dem Schal drang der Muff jahrelangen Gebrauchs und das Durcheinander schaler G erüche eines Altkleidersacks direkt in meine Nase.
    „Wenn du wieder loskotzt, wirste geknebelt. Kannst dann gern dran ersticken.“
    „Red keinen Scheiß!“, kam es von vorn, ich hörte nicht heraus ob von Honkes oder dem Fahrer. Ich begann stoßweise zu atmen und gegen das elende Gefühl im Bauch anzukämpfen. Bloß kein Knebel!
     
    Die Angst davor, etwas Unappetitliches in den Hals gesteckt zu bekommen, beherrschte mein Bewusstsein, förderte meine Übelkeit und half zugleich, sie zu unterdrücken. Unter dem allgegenwärtigen Vorsatz „Ich darf mich nicht übergeben, ich darf mich nicht übergeben...“ ging aber auch manch anderer Gedanke seinen Weg. Wo waren wir, unterwegs zu welcher Grenze? Was hatten sie mit mir vor? Was hatte Melanie unternommen? War mein Haus schon voller Polizisten, war der aus dem CbT darunter, schämte er sich nun seiner Ruppigkeit am Telefon? Oder waren auch Melanie und Mirko in der Gewalt der Bande, wusste niemand etwas, waren wir alle ausgeliefert? Diesen schlimmsten aller Fälle berücksichtigt: Was konnte ich tun?
    „Warte, Moment noch“, hörte ich Honkes von oben seitlich her s agen. „Jetzt!“
    Mir wurde der Schal von den Augen gerissen, ich wurde hochgez ogen und sah uns im Stau vor einer Grenzstation stehen. Deutsche Seite, der Beamte winkte durch. Die Uniform saß recht steif an ihm, bildete ich mir ein, sie musste neu sein, vor Jahresfrist getauscht gegen die DDR-Montur, also kam hier Polen oder nördliche Tschechei. Ich suchte nach einer Ortsangabe, irgendeiner Orientierung. Der Blick des Beamten fiel in unser Auto, Hoffnung keimte auf. Dieser Passatfahrer konnte unmöglich die Panik in meinen Augen übersehen und an eine Schneeballschlacht geglaubt haben. Ganz sicher hatte er die Polizei alarmiert, an allen Grenzen lag unsere Beschreibung vor, sie würden uns erkennen und rausziehen, diesen Wahnsinn beenden.
    Gelangweilt winkte uns der Grenzbeamte durch. Eine Falle dachte ich, sie wiegen die Gangster in Sicherheit und schlagen im Ni emandsland zu. Der Mercedes rollte auf eine Brücke, vorbei an weißem Adler auf rotem Grund, drüben Häuser, also Oder beziehungsweise Neiße, eine der geteilten Städte Frankfurt oder Görlitz. Jetzt holt mich endlich hier raus! Stau auf der Brücke. Genialer Trick der Polizei, die Falle war zugeschnappt, freute ich mich, aber nun kommt schon endlich! Stop and Go, Ende der Brücke, polnische Abfertigung, scharfer Blick in die Pässe und unsere Gesichter, ein Winken, Anfahren, das war es. Ich wollte es nicht glauben.
    Es überkam mich der Impuls zu heulen, loszuschreien, der I mpuls, über einen der Scheißkerle neben mir hinweg aus dem Wagen zu springen.
    „Legt ihn wieder zusammen, aber diesmal richtig“, befahl Ho nkes, ohne sich umzudrehen.
    Aus mein Impuls, mich zu befreien, wurde panische Entschlosse nheit. Mit einem Schlag

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