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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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noch einmal me ine Stimme frei, musste laut und etwas irr auflachen. „Ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern, aber ich bin so froh, so wahnsinnig, ach ... dass ich Sie gleich erreiche.“
    „Frank Fercher“, brüllte der Pastor in den Hörer, „als ob ich an Sie mich nicht erinnere! Ich versuche dauernd, dich anzuwä hlen, ich sag jetzt einfach Du, denn was du getan hast, verbindet uns, vielen herzlichen Dank vorneweg.“
    „Das Geld ist angekommen?“, fragte ich blödsinnigerweise.
    „Aber sicher ist angekommen, auf Pirmin Petrowna ist Verlass. Auch wenn er manchmal so tut als mag er nicht helfen, hilft dann doch immer. Aber du klingst so nah, Verbindung ist heute Nacht sehr gut.“
    „Das liegt daran, dass ich vielleicht ganz in Ihrer Nähe bin. Ich muss Sie um einen Riesengefallen bitten.“
    „Alles, was du willst. Ich...“
    „Tut mir leid, dass ich Sie unterbreche, aber ich bin in Gefahr, Sie müssten mich gleich abholen. Aber ich weiß nicht, wo ich bin.“
    Ich spürte meine Kräfte schwinden, dem Notaggregat ging der letzte Kraftstoff aus, die Betriebsanzeige flackerte schon.
    „Auf jeden Fall.“
    „Kennen Sie ein L-förmiges Gebäude, in dem medizinisch experimentiert und auch operiert wird? Es liegt in einem ziemlich heruntergekommenen Industriegebiet, keine Ahnung, ob das alles überhaupt noch in Betrieb ist. Ich habe einen Fabrikschlot gesehen, der wie halb zusammengestürzt aussieht.“
    „Das ist die Staatliche Medikamentenfabrik, gar nicht weit von hier, vielleicht 70 Kilometer.“
    „70 Kilometer“, fragte ich entsetzt und sah meinen letzten Plan scheitern. „Da würden Sie ja fast eine Stunde brauchen.“
    „Sagen wir lieber mal zwei, mein altes Elselchen, Autolein von meiner toten Frau, fährt zuverlässig, aber leider nicht mehr gar so schnell an Bergen.“
    „Wie spät ist es?“
    „So gegen halber dreie.“
    „Verdammt! Könnten Sie bitte auf der Stelle losfahren? Ich warte vor dem Haupteingang, und wenn es gegen fünf Uhr geht lieber irgendwo versteckt, ich käme dann auf Sie zu, wenn Sie in der Nähe halten. Ich bin wirklich in verdammt großer Not. Würden Sie ein Risiko für mich eingehen?“
    „Ich bin schon unterwegs. Muss nur noch schnell Benzin aus Kan ister von Nachbarin nachfüllen.“
    „Was? Aber...“
    Er hatte aufgelegt. Zwei Stunden! Ich wusste nicht, wie ich es schaffen sollte, so lange bei Bewusstsein zu bleiben.
     
    Ich schaffte es, indem ich mir etwas zu essen besorgte. Nun, da ich mich unbewacht wusste, wagte ich es, in den Räumen Licht zu machen. In einer kleinen Küche im zweiten Stock unweit meines bisherigen Krankenzimmers stieß ich schließlich auf Brot, Butter, angeschimmelte Marmelade und fast geruchlose Teebeutel.
    „Frank Fercher bestimmt wieder selbst, wann er frühstückt, ihr verdam mten Schweine“, sagte ich laut, kam mir albern vor, aber schöpfte Kraft aus dem trotzig in den leeren Raum gesprochenen Satz.
    Viel trinken, sagte ich mir, viel trinken, um das Narkosegift zu ve rdünnen – ein guter Liter Schwarzer Tee mochte es dann wohl auch gewesen sein. Ich aß dazu zwei Scheiben Marmeladenbrot, dick mit Butter bestrichen. Meine erste Mahlzeit in Freiheit oder meine Henkersmahlzeit, wer weiß.
    Es schlotte rte mich um die Beine. Ich machte mich wieder auf die Suche nach einer Hose, fand keine, aber brachte die Zeit damit herum. Ein letztes Mal kehrte ich in das Labor zurück, pinkelte noch einmal in eines der Becken und holte mir dann meinen Arm, der sich anfühlte wie ein wulstiger dicker Eiszapfen. Ich nahm den dritten Laborkittel vom Türhaken, breitete ihn auf dem Boden aus, legte meinen Arm hinein, schlug den Kittel herum und verließ mit dem länglichen weißen Bündel durch Flur, Treppenhaus, Hintertür und Hinterhof den Ort, der mich entzweigeschlagen und noch stärker gemacht hatte.
    Zum und vom Gelände der Medikamentenfabrik mitten im Ni rgendwo führte nur eine Straße. Der folgte ich ein paar hundert Meter, einfach nur, um in Bewegung zu bleiben und die Reste der Narkose nicht mein Gehirn lahmlegen zu lassen. Ich lief wie ein Auto mit Benzinanzeige im roten Bereich dem leeren Tank entgegen und hatte das Glück, noch auf den Beinen zu sein, als zwei Scheinwerfer herantanzten. Es konnte der Pastor sein, es konnte jemand von der Frühschicht sein. Ich ließ es drauf ankommen und blieb mitten auf der Straße stehen. Der Wagen rollte auf mich zu, wurde langsamer, kam zum Stehen. Ich trat neben die Fahrertür und sah

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