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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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vorstellen können.“
    „Geld spielt bei Pirmin keine Rolle, er geht nur nach dem Gewi ssen und Regeln seiner Kirche. Ist manchmal bisschen eigensinnig, kleiner Diktator sogar, aber als Mensch in Not, der du bist, ich meine schon, dass er dir hilft.“
    „Und wann kommt er wieder?“
    „Alle halbe Jahre ungefähr.“
    „Und das letzte Mal war er hier, als ich ihm das Geld mitgab, das war so im Oktober?“
    Der Pastor nickte.
    „Das heißt, nächstes mal kommt er im April, schon bald, in früh estens zwei bis spätestens vier Wochen.“
    Das schien mir unerträglich lang zu sein. Aber ich hatte nun ein Ziel: In spätestens vier Wochen würde ich in das Führe rhaus eines Lasters klettern und den Weg nach Hause antreten. Ich war außer mir vor Reisefieber.
     
    Ein paar Stunden später bemerkte ich zum ersten Mal ein trockenes, raues Gefühl im Rachen. Ich musste immer mal husten. Lina brachte mir sofort eine Medizin, die mir vorkam wie purer Wodka mit einem Anflug von Kräuter-Aroma.
    Am nächsten Morgen war meine Nase zugeschwollen. Ich war lus tlos und hatte Kopfschmerzen. Meine Augen entzündeten sich. Bis zum Abend war ich so fiebrig, dass ich nicht widersprach, als Lina mich ins Bett steckte. In meinem bisherigen Leben war ich ganz selten erkältet gewesen, und es ärgerte mich, in einer Verfassung zu sein, dass mich schon ein laues Frühlingslüftchen aus den Schuhen hauen konnte. Aber ich hatte die Amputation überstanden, dagegen war diese Erkältung nur ein Furz. Lag ich eben noch ein paar Tage im Bett, ich hatte ja Zeit.
    Der Husten aber wurde schlimmer. Beim Atmen rasselte es tief in mir, und meine Lungen fühlten sich feucht und entzündet an. Der Pastor, der mich täglich besuchte, schaute besorgt, aber verbre itete Zuversicht: „Die Lina hat bisher noch jeden wieder auf die Beine gestellt.“
    Ich fragte ihn eine W oche lang täglich, ob es schon Nachricht vom Hilfskonvoi gebe, und immer schüttelte er den Kopf.
    Nach einer Woche hörte ich auf zu fragen. Mir ging es so miser abel, dass ich froh war, noch mindestens eine Woche Zeit zu haben. Fast wünschte ich mir, der Konvoi möge diesmal mit Verspätung eintreffen.
    In Linas kleinem Holzhäuschen gab es keine Uhr, aber wie nach e inem Uhrwerk verliefen ihre Tage. In der Nacht ging sie nie vor die Tür. Sie legte einen Riegel vor, sobald es zu dunkel war zum Bibellesen, fütterte mich noch einmal mit aufgewärmter Brotsuppe, ob ich wollte oder nicht, wusch mich und dann sich selbst in einer Schüssel nebenan und legte sich schlafen. Es wurde dann still im Haus, und auch von draußen kam nie ein anderer Laut als das Brausen des Steppenwindes.
    Um so mehr erschrak ich, als es in dieser Nacht an der Tür klop fte. Es dauerte eine Weile, bis Lina sich regte. Ich hörte sie rumoren, schimpfen, zur Tür stampfen, ich hörte eine Flüsterstimme, Lina öffnete und es kam jemand herein. Es war der Pastor.
    „Ein Fremder ist heute Abend angekommen und hat nach einer Stub gefragt. Wir haben nie Fre mde in unserem kleinen Dorf.“
    Es war nicht das Fieber, was mir die Hitze ins Gesicht drüc kte. Ein Schub von Angst vor Erlebnissen wie Eingesperrtsein, Angekettetsein, gegen meinen Willen Operiertwerden wühlte mir im Gedärm.
    „Ein Detektiv oder so was?“, fragte ich und musste husten.
    „Kann auch sein von Peter Honkes Leuten, wer weiß. Ich hab noch mehr Neuigkeiten. Pirmin hat angerufen von unterwegs, wird morgen ankommen. Nicht gut, wenn du dann hier bei Lina bist, und nicht gut, wenn Fremder dich tagsüber rumlaufen sieht. Am besten kommst gleich mit rüber in die Kirche.“
    Lina, die zwar deutsch nicht sprechen konnte aber leidlich verstand, protestierte heftig.
    „Den kurzen Weg wird er schon überstehen, wenn wir ihn dick anziehen. So kalt ist es auch nicht heute Nacht.“
    Er half mir, aus dem Bett zu kommen. Als ich saß, merkte ich erst, wie übel es mir ging. Ich verfluchte mich für meinen blö dsinnigen Ausflug durchs Dorf, der mir die Erkältung eingetragen hatte, wenn es nicht gar eine Lungenentzündung war, was ich unterdessen hatte.
    Der Pastor half mir beim Anziehen. Während ich mich in den zwe iten Ärmel der Jacke quälte, versuchte Lina mir den anderen wieder auszuziehen. Ihre Entschlossenheit, mich nicht gehen zu lassen, machte mich misstrauisch. Hatte sie vielleicht doch noch Kontakt zu ihrem Sohn? War der auf dem Weg hierher?
    „Wir gehen hintenrum.“
    Der Pastor stützte mich auf der rechten Seite und zog mich zur Tür;

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