Der Mann, der nicht geboren wurde
musste das
herauskommen. Warum habe ich das nur verschwiegen? Weil ich die Garde nicht
mehr als nötig auf uns aufmerksam machen wollte. Wenn ich an diesem Morgen
schon gewusst hätte, dass DMDNGW die Garde ohnehin in unsere Richtung schicken
würde, hätte ich mir das auch sparen können.
»Also gut.« Rodraeg erhob sich und ging zu seinem Schreibtisch im
Nebenzimmer. »Jetzt ist es wohl nicht mehr vermeidbar, die Katze aus dem Sack
zu lassen.« Er holte den Drohbrief von DMDNGW und gab
ihn dem Sonderermittler. Der las ihn aufmerksam und verglich die Handschrift
mit dem Zettel, den er bereits auf den Tisch gelegt hatte. Beide waren
krakelig, aber unterschiedlich.
»Ihr seht«, sagte Rodraeg und setzte sich wieder an den Tisch,
während Naenn den Tee servierte, »dass wir ebenfalls bedroht werden, von
derselben Person oder Gruppierung, die Euch den Zettel mit dem niederkommenden
Mädchen zugespielt, das Mammut am Leichnam Vinzev Tralós befestigt und somit
wahrscheinlich beide Nadelmorde begangen hat. Der Grund, weshalb wir das
Hilfegesuch Mirilo von Heydens ablehnen mussten, war, dass wir zu der Zeit
nicht über genügend Leute verfügten. Ich war bettlägerig, Naenn hochschwanger,
unser geschätzter Gast Estéron besitzt kein Augenlicht â es war einfach nicht
zu schaffen. AuÃerdem fühlten wir uns selbst bedroht, eben von DMDNGW , was auch immer dahinterstecken mag, und so wie es
aussieht, ist diese Bedrohung ernst zu nehmen.«
Dilljen Kohn lehnte sich zurück und fasste Rodraeg über den Rand
seines Kneifers hinweg scharf ins Auge. »Da stellt sich mir die Frage: Was ist
das Mammut überhaupt? Was tut Ihr? Aus den
Aufzeichnungen des Rathauses und der Stadtgarde ging hervor, Ihr befasst Euch
mit ungewöhnlichen Naturereignissen und forscht nach ausgestorbenen Tierarten?
Davon kann man leben?«
»Wir haben Auftraggeber.«
»Und diese ⦠ungewöhnlichen Naturereignisse â das ist so etwas wie
Chlayst?«
»Das Giftigwerden des Chlayster Sumpfes läge ziemlich genau in
unserer Richtung, hat sich jedoch ereignet, bevor wir gegründet wurden. Wir
hatten nie einen Auftrag bezüglich Chlayst.«
»Ihr tut aber sehr geheimnisvoll mit Euren Aufträgen und
Auftraggebern.«
»Ich will Euch reinen Wein einschenken, Kohn. Wie Ihr schon hier an
uns vieren sehen könnt, pflegen wir sehr freundschaftlichen Kontakt mit
nichtmenschlichen Völkern. Schmetterlingsmenschen, Untergrundmenschen, aber
auch andere sind denkbar. Die Königin hat uns durch ihren Feldzug gegen die
Affenmenschen unsere Arbeit erheblich erschwert. Deshalb versuchen wir so wenig
wie möglich mit der Königin und ihrer Garde zu tun zu haben. Wir sind nicht
feindlich gesonnen, aber wir müssen um Neutralität bemüht sein.«
»Auch Affenmenschen gegenüber?«
»Wenn es Naturereignisse im Nordosten gäbe, die nur die
Affenmenschen uns erläutern können, müssten wir auch mit denen auskommen
können. Es ist schwierig, aber wir bemühen uns darum, uns keine Feinde zu
machen.«
»Das scheint aber misslungen zu sein. Jemand will euch vernichten.«
»Tja. So, wie ich das sehe, will dieser Jemand eine ganze Reihe von
Leuten vernichten, darunter auch einen jungen Adeligen und einen
Getreidespeicherer. Möglicherweise passt ihm einfach nicht, dass wir in diesem
Haus wohnen. Wir wissen es nicht, er hat uns leider keinen Grund gesagt. Wir
befürchten aber, dass es noch mehr Opfer geben wird, und haben den
Landspurenführer Vetz Brendo beauftragt, für uns eine Liste von Personen
zusammenzustellen, die ebenso wie wir Drohbriefe von DMDNGW erhalten
haben.«
»Wieder ohne die Garde einzuweihen?«
»Ja. Aus genannten Gründen. Wir müssen unsere Unabhängigkeit
wahren.«
»Eure Unabhängigkeit könnt Ihr wahren, wenn Ihr in einem Wald lebt,
aber hier in einer städtischen Gemeinschaft solltet Ihr das besser bleiben
lassen. Von jetzt ab kümmert sich die Hauptfrau Durbas um den Landspurenführer
und seine Liste.«
»Ich habe nichts dagegen. Darf ich Euch übrigens auch eine Frage
stellen?«
»Ja?«
»Ihr sagtet, die drei Briganten, die von Heyden bedrohten, seien
namentlich bekannt. Uns gegenüber hat er lediglich den Namen Arevaun erwähnt.«
»Ja. Die anderen beiden sind mir bekannt,
nicht ihm, weil ich bereits seit einigen Monden hinter ihnen her bin.
Weitere Kostenlose Bücher