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Der Mann, der nicht geboren wurde

Der Mann, der nicht geboren wurde

Titel: Der Mann, der nicht geboren wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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begriffen hatte, dass Naenn ihm
tatsächlich das Neugeborene so lange hinhielt, bis er es an sich nahm, fasste
er es vorsichtig mit beiden Händen, legte es sich in die linke Armbeuge und
setzte sich neben Naenn auf die Bettkante. Nemialé bäumte sich ein wenig auf,
schlief und träumte jedoch weiter.
    Â»Wie fühlst du dich?«, fragte Rodraeg. Er sah dabei das Kind an,
doch Naenn wusste, dass er sie meinte.
    Â»Verwirrt. Verwirrt, dass es kein Junge ist. Erfreut, denn
vielleicht wollte ich lieber ein Mädchen haben. Dankbar, dass ich überleben
durfte. Ratlos und ein bisschen panisch, wie es jetzt weitergeht, woran ich
alles denken muss, was ich alles nicht falsch machen darf. Und … ich fühle mich
ein wenig schuldig. Ich habe mich vom Mammut entfernt
und mich in meine eigene und Nemialés Welt zurückgezogen.«
    Â»Das ist doch gut so. Die Welt des Mammuts ist
eine oftmals erschreckende und grausame Welt. Manchmal denke ich, dass unsere
eigentliche Aufgabe nur darin besteht, dich und dein Kind zu beschützen. Wir
reinigen Flüsse, damit Nemialé noch klares Wasser zum Trinken hat, und wir
setzen uns für Wale, Riesen und Kaninchen ein, damit Nemialé all diese Wunder
noch mit ihren eigenen Augen bezeugen kann.«
    Â»Als Mutter wäre ich nur zu gerne bereit, dir zuzustimmen. Dennoch
ist mir klar, dass der Kontinent sich nicht nur um mein Kind dreht. Obwohl …«
    Â»Obwohl?«
    Â»Ihre Magie scheint ungewöhnlich stark zu sein. Viel stärker als
meine. Mächtig und … fremdartig. Als käme sie aus einer anderen Welt.«
    Â»Hat sie kleine Flügelchen?«
    Naenn musste lachen. »Noch nicht. Die wachsen erst in den zwei, drei
Jahren nach der Geburt. Aber vielleicht wachsen ihr auch keine. Sie ist ja zur
Hälfte menschlich.«
    Rodraeg betrachtete das Neugeborenengesicht eingehend. Schade,
dachte er, dass ihre Fingerchen und Zehchen in dem Bündel nicht zu sehen waren.
Das Bündel jedoch schien das Kind gut zusammenzuhalten und zu beruhigen, so,
als wäre es noch immer dort, wo es entstand und wuchs. »Was bedeuten diese
Schriftzeichen?«
    Â»Segenssprüche. In der alten Schrift der Götter, die selbst ich nur
unvollständig lesen kann. Estéron hat das gemacht. Es war ein großes Glück, ihn
hier zu haben.«
    Â»Hast du den anderen Mann mitbekommen? Wir wussten uns nicht anders
zu helfen, als einem Fremden zu vertrauen.«
    Â»Ja, ich habe ihn gesehen und gespürt. Er war nicht so sehr in
meiner Nähe, hat mich nie angefasst, aber ich hatte das Gefühl, er wehrt im
Hintergrund Dinge ab, die neugierig sind und gefräßig. Magische Dinge, die
angelockt wurden durch Nemialés Macht. Manchmal war es, als kabbelte sich ein
Wolfsrudel im Zimmer, und der fremde Mann errichtete mit seinem hellen Stab
Zäune und Speerwälle, die er anschließend niederriss, um ein Boot in
stürmischer See daraus zu formen. So konnte Estéron das Kind greifen und holen,
ohne sich zerstreuen zu müssen. Wer war dieser Mann?«
    Â»Einer von der Königin. Ein Sonderermittler wie Dilljen Kohn, nur
anders. Er nannte sich Akamas.«
    Sie schwiegen eine Weile, hingen ihren Gedanken nach.
    Dann fragte Naenn: »Und ihr? Und DMDNGW ?
Was habt ihr herausfinden können? Was hat sich ereignet?«
    Rodraeg seufzte. »Je eingehender man sich mit Warchaim beschäftigt,
desto mehr kommt einem diese Stadt vor wie ein lautloses Schlachtfeld.«
    Â»Vielleicht … sind alle Städte der Menschen so.«
    Â»Ja. Vielleicht sind alle Städte der Menschen so. Naenn, die
Anzeichen mehren sich, dass es in Warchaim nicht mehr sicher ist. Was meinst du – wann wirst du in der Lage sein, mit Estéron in den Larnwald aufzubrechen? Ich
glaube wirklich, dass Nemialé im Schmetterlingshain besser aufgehoben wäre als
hier.«
    Â»Aber die Wunder ereignen sich doch hier, Rodraeg! Riban wusste, was
er tat, als er für uns diese Stadt aussuchte. Ein Zauberer erschien, um mich
bei der Geburt zu unterstützen! Im Larnwald wäre dieser Mann nicht erschienen.«
    Â»Im Larnwald hättest du ihn aber auch gar nicht nötig gehabt, weil
die ganzen Schmetterlingsmenschen dir hätten beistehen können. Ich weiß nicht,
was aus uns werden wird, Naenn. Zurzeit bin ich wirklich überfragt, wie tief-
und weitreichend das Netz ist, das DMDNGW um uns
gewoben hat. Wir haben jetzt noch fünf Tage bis zum

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