Der Mann, der nicht geboren wurde
wahrgenommen
hatte. Als einen rostroten Traum mit bläulich-grünlichen Schattierungen. Dann
richtete er eine Frage an die Hauptfrau: »Was ist mit dem Wachtposten im Baum?«
»Nichts.«
»Nichts? Aber ⦠ich dachte, er sei ermordet worden!«
»Nein. Es geht ihm gut.«
»Aber ⦠aber er hat mich nicht gesehen, wie ich das Haus verlassen
habe?«
»Das ist das Eigenartige. Er hat nichts gesehen, kann sich aber
erinnern, für ein paar Sandstriche das Gefühl gehabt zu haben, das Augenlicht
zu verlieren. Alles war verschwommen. Ein dunkles Rot wie geronnenes Blut. Ich
nehme an, Ihr habt vom Haus aus eine starke Magie wirken lassen, um an ihm
vorbeischlüpfen zu können.«
Rodraeg brachte ein Lächeln zustande. »Es sei Euch unbenommen, das
zu glauben. Jedenfalls freue ich mich, dass der Posten unbeschadet blieb. Ich
hielt DMDNGW für skrupellos genug, auch Unbeteiligte
umzubringen, aber möglicherweise hat er â oder sie, oder diese Gruppe â doch
eine Art Ehrenkodex. Estéron, dich wollte ich etwas fragen. Möglicherweise
wirkt der Zauber, mit dem DMDNGW mich in die Hände
bekommen hat, noch immer. Kannst du so einen Zauber spüren? Und wenn ja,
vielleicht sogar zurückverfolgen?«
»Im Larnwald könnte ich das vielleicht. Umgeben vom Singen der Bäume
und abgeschirmt von den Irrlichtern der Menschen. Aber in einer Stadt wie
dieser wirken so viele Spuren von gestriger, vorgestriger und heutiger Magie,
dass ich mich verlieren würde wie ein Stück Kandis in einem Meer aus Tee.«
Rodraeg nickte. »Kohn?«, sprach er den Sonderermittler, der sich als
Einziger nicht gesetzt hatte, sondern mit verschränkten Armen neben der Tür
stand, direkt an. »Könntet Ihr so etwas unternehmen?«
Dilljen Kohn musterte Rodraeg unangenehm lange. Dann sagte er langsam:
»Auf Euch wirkt keine Magie ein.«
Rodraeg atmete auf. »Das ist gut. Dann bin ich wieder Herr meiner
selbst. Leider geht uns aber dadurch die Möglichkeit verloren, den Urheber des
Zaubers aufzuspüren. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, weshalb er die
Verbindung gekappt hat.«
»Dass Kohn nichts spüren kann, beweist nur, dass auf dich nichts
einwirkt«, schnauzte die Hauptfrau wieder dazwischen. »Du trägst also die
Verantwortung für deine Schandtaten alleine, hat keinen Sinn, da irgendwas
herumzudeuteln.«
Rodraeg beschloss, sich von der Hauptfrau nicht aus der Ruhe bringen
zu lassen. »Entscheidend ist, was wir als Nächstes tun. Ich bin nicht zum
Mörder geworden, insofern ist der Plan DMDNGW s
gescheitert. Es hat jedoch gereicht, mich hinter Gitter zu bringen. Das gibt DMDNGW eine erstklassige Vorlage, um das Mammut endgültig zu versenken. Ihr müsst jetzt mehr als
vorsichtig sein. So unangenehm das klingt, aber am besten schläft jetzt auch
niemand mehr alleine.«
Naenn nickte, weil sie ahnte, dass Rodraeg ihren Protest
befürchtete. »Ich kann zu Estéron ins Gästezimmer ziehen.«
»Gut. Und Bestar und Cajin rücken ebenfalls zusammen. Jeder muss auf
den anderen achtgeben. Nur noch ein paar Tage, dann ist der Spuk vorbei.
Hauptfrau? Welche besonderen Vorkehrungen sind getroffen worden, um das Leben
Gauden Endreasisâ zu schützen?«
»Na, du bist eingelocht worden.«
»Der Mordversuch schlug fehl. Jemand anderes wird es noch einmal
versuchen. Möglicherweise jemand, der dem Kommandanten nahesteht.
Möglicherweise seine eigene Frau. Er braucht Tag und Nacht eine Leibgarde aus
mindestens zwei Personen.«
»Ich wüsste nicht, was dir das Recht gibt â¦Â«
»Alles Entsprechende wird veranlasst werden«, fiel Dilljen Kohn der
Hauptfrau ins Wort und erntete dafür einen hasserfüllten Blick von ihr. Rodraeg
war froh, dass der Hauptstädter hier war.
Er fuhr fort. »Wir werden die Fährte mit der Spur im Beet
weiterverfolgen. Falls wir eine weitere Mörderin aufspüren können, die
womöglich ebenso wie ich ihre Tat unter Fremdeinfluss begangen hat, wird mein
Fall aus einem neuen Blickwinkel betrachtet werden. Die Garde sollte inzwischen
ihre Bemühungen verstärken, den Einbrecher zu finden, von dem sie ja eine
Beschreibung hat.«
Erneut ging die Hauptfrau dazwischen. »Moment mal. Das Mammut will Spuren verfolgen? Nichts da! Solange der
Anführer des Mammuts wegen eines Mordversuches im
Gefängnis sitzt, steht die gesamte Gruppe
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