Der Mann, der nicht geboren wurde
Fischabfällen. Als
das Tageslicht dann trügerischer wurde, beschrieb sie einen beinahe
unmerklichen Bogen nach Norden, immer noch die meisten Abzweigungen erkundend
und verwerfend, in der Nähe der westlichen Stadtmauerreste, wo es viele Gärten
und kleine, parkähnliche Plätze gab. Bestar spendierte ihnen dreien, damit sie
nicht vollends vom Fleisch fielen, unterwegs knusprig in Honig geröstete Nüsse,
die ein StraÃenhändler singend feilbot.
Bei Beginn der Abenddämmerung war Leutnant Adsars Dienstschicht
genau genommen schon seit einer Stunde vorüber, aber irgendetwas faszinierte
ihn an Tjarkas Methode. Er hatte nicht das Gefühl, an der Nase herumgeführt zu
werden. Ihm schien es eher, als sei er auf einer wichtigen Fährte, die allen
anderen Gardisten bislang verschlossen geblieben war, und dass er sich so
auszeichnen konnte. Weder war er müde noch erschöpft. SchlieÃlich war ja auch Tjarka
die Einzige von ihnen, die sich wirklich anstrengen musste.
Sie passierten das abgebrannte Slessinghaus. Ein Dutzend Schritte
dahinter blieb Tjarka plötzlich stehen und deutete nach vorne. »Da ist sie
hergekommen. Ich hatte die ganze Zeit über das Gefühl, dass sie billig roch.«
In der Verlängerung ihres ausgestreckten Zeigefingers stand das Drachen & Höhlen , Warchaims gröÃtes und anerkanntestes
Bordell.
»Na, das wird ja ein lustiges Nachforschen«, ächzte Adsar. »Das mit
der Garde und denen ist so eine Sache. Die halten dicht, viel dichter als echte
Verbrecher, weil sie wissen, dass ihre Kunden nicht mehr kommen, wenn sie allzu
viel ausplaudern. In Uniform kann man da drinnen überhaupt nichts ausrichten.
Und in normaler Kleidung â ich fürchte, die würden mich erkennen.«
»Schon mal Kunde gewesen, was?«, grinste Tjarka hämisch.
Adsar nahm unwillkürlich militärische Haltung an. »Niemals! Ich habe
vor ein paar Wochen mitgeholfen, eine Schlägerei dort zu schlichten. Dabei hat
man mich natürlich gut sehen können, weil ich mich sehr ins Zeug gelegt habe!«
»Ah, ja.« Tjarka hörte nicht auf zu grinsen.
»Tjarka, kannst du die Frau aus dem Beet dort drinnen vielleicht
erschnuppern?«, fragte Bestar.
»Ich sagte gestern schon, innerhalb von Gebäuden verliere ich jede
Spur. Und ich fürchte, in einem solchen Haus werde ich vor lauter Gerüchen gar
nichts mehr erkennen können.«
»Aber wenn die Frau genau vor dir steht. Kannst du sie da nicht von
anderen unterscheiden?«
»Weià ich nicht. Das müssen wir ausprobieren.«
Bestar dachte nach. Dann hatte er eine Idee. »Ich weiÃ, was wir
machen! Wir holen Estéron! Er ist weise und hat dieses Zeug, diese
Einfühlsamkeit, und er kann sich da drinnen gut durchfragen. Und er ist blind,
also kann er nicht abgelenkt werden.«
»Du würdest abgelenkt werden von den leichten Mädchen?«, spöttelte
Tjarka.
»Ich werde bestimmt abgelenkt.« Zerknirscht erinnerte Bestar sich an
den peinlichen Vorfall in Louelias rollendem Vergnügen. Er
hatte heute noch Schulden bei Rodraeg wegen dieser Sache.
»Gut, machen wir es so.« Leutnant Adsar nickte. »Für alle Fälle
holen wir wieder zwei Gardisten dazu, damit ich vollzählig bin, und bringen den
blinden Schmetterlingsmann vom Mammut hierher. Auf
der Garde können wir auch unsere Wasserschläuche auffüllen, ich bin am Verdursten.«
Virad Adsar meldete die
beabsichtigte Befragung und Durchsuchung im Drachen
& Höhlen bei Hauptfrau Durbas
ordnungsgemäà an. Sie gab ihm zwei erfahrene Gardisten mit und warnte ihn
davor, »sich von dieser Mammutbrut ins Bockshorn jagen zu lassen. Sobald sich
einer von denen auch nur im Geringsten danebenbenimmt â festnehmen und
wegschlieÃen. Dann kann ich vielleicht endlich mal wieder ruhig durchschlafen«.
Estéron erklärte sich bereit, Bestar,
Tjarka und die drei Gardisten zum Bordell zu begleiten. Er schärfte Cajin
erhöhte Wachsamkeit ein, aber auch Naenn wirkte jetzt schon wieder viel
belastbarer als in den Tagen vor der Geburt und sagte, er brauche sich keine
Sorgen zu machen.
Zu sechst gingen sie zum Drachen & Höhlen .
Die Nacht hatte inzwischen ihre anfangs noch durchscheinende Dunkelheit
vervollständigt und tauchte alle Gassen in undurchdringlich schattige und
zweideutig fackelschwankende Bereiche. Im Bordell herrschten die Stunden des
Hochbetriebs.
Dann
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