Der Mann, der nicht geboren wurde
blinden
Schmetterlingsmann vorbeisah und die Gardisten bemerkte, atmete sie
gleichzeitig auf und lieà die Schultern hängen. »Es stimmt also. Ich bin es
gewesen.«
»Ihr seid was gewesen?«, fragte Adsar, der
sich nun nach vorne drängte und die Leitung übernehmen wollte.
»Der Mord. An diesem reichen Mann in der Südstadt. In der
Bachmunacht. Ich dachte, es sei ein Traum gewesen, aber als ich erwachte, war
ich über und über mit Blut â¦Â« Sie konnte nicht mehr weitersprechen. Sanft
drängte der Gardist sie in ihren Raum, alle folgten. Nur mit Mühe konnte Tjarka
ganz hinten die Tür schlieÃen. Der Raum bestand nur aus einem niedrigen Tisch,
einem aufreizend bunten Bett und einer Waschschale. Es gab keine Fenster, nur
eine Ãllampe voller Aromaöl. Das Bett war zerwühlt. Es roch nach Tränen und
Schlaf.
»Wie lief dieser Traum ab?«
»Ich ⦠schlich mich nach drauÃen. Im Hauptraum war eine groÃe Orgie
im Gange, jeder war mit jedem beschäftigt, niemand achtete auf mich. DrauÃen
war es kalt, ich war so gut wie nackt. Dort stand einer meiner Kunden und
drückte mir eine schwarze Nadel in die Hand.«
»Ihr kanntet den Mann?« Adsar wechselte einen raschen Blick mit
Bestar und Tjarka, die schneller atmeten.
»Ja. Er war schon zweimal bei mir. Sein Name ist Lundis. Ich kann
ihn nicht ausstehen. Er steht darauf, mich anzuspucken. Er sagt, er mag meine
FüÃe, die klein sind für meine GröÃe. Jedenfalls ⦠er gab mir die Nadel. Ich
wusste, wohin, obwohl ich nicht wusste, wohin. Könnt Ihr das verstehen?«
»Wir verstehen«, beruhigte sie Estéron. »Ein Freund von uns hat
Ãhnliches erlebt. Erzähl einfach weiter.«
»Ein reicher Mann öffnete mir die Tür, nachdem ich mich ihm am Fenster
gezeigt hatte. Er schien erfreut, mich zu sehen. Vielleicht hatte er mich
erwartet, vielleicht gefiel ich ihm auch einfach nur, nackt, wie ich war. Er
hatte getrunken auf dem Fest. Ich erinnere mich noch daran, wie sein Atem
grünlich schimmerte.« Beim Erinnern ballte sich ihr Gesicht zusammen wie eine
Faust, wurde ganz greisenhaft. »Dann ⦠dann ⦠rammte ich ihm plötzlich die
Nadel in den Hals. Nein, nicht in den Hals. Von unten, von unten durch den
Unterkiefer nach oben. Zuerst passierte gar nichts. Es war ja nur ein Traum.
Doch dann zog ich die Nadel heraus, und das Blut sprühte aus ihm wie aus einem
Pumpbrunnen. Unglaublich viel Blut. Alles war voll davon. Die ganze Welt war
dunkelrot. Er machte ein Geräusch wie ein gackerndes Huhn und starb. Ich verlieÃ
das Haus und eilte zurück. Niemand bemerkte mich. Lundis passte mich ab, nahm
mir die Nadel ab, reinigte sie mit einem Tuch, sagte âºGutes Mädchenâ¹ zu mir,
kniff mich und ging lachend davon. Ich träumte weiter, obwohl er mich kniff. An
der Orgie vorüber auf mein Zimmer. Da erwachte ich dann und sah das ganze Blut.
Zuerst dachte ich, ich hätte im Schlaf meine Tage bekommen oder einer der
Kunden hätte mir bei der Orgie etwas angetan. Ich wusste gar nichts mehr und
wusch mich. Aber dann, nach Stunden, erinnerte ich mich mehr und mehr an den
Traum. Und als es dann hieÃ, es habe einen Mord gegeben an einem reichen Mann
in der Südstadt, da ⦠da konnte ich nicht mehr. Ich kann nicht mehr! Ich weiÃ
nicht, warum ich das getan haben soll! Ich bin so nicht!«
»Mein armes Mädchen.« Estéron schlüpfte nun wieder am nachdenklich
zögerlichen Adsar vorbei und nahm Scela einfach in die Arme. Zuerst verspannte
sie sich, dass es schien, ihre Haut würde splittern, dann öffnete sie sich und
weinte hemmungslos gegen seine Brust. »Du bist nicht die Einzige«, sagte er in
beruhigend brummendem Tonfall. »Ich fürchte, wir werden noch weitere finden,
die im Traum zu Mördern wurden. Da Lundis vorher mehrmals bei dir war, hatte er
gute Gelegenheit, dich mit einem Fluch zu belegen.« Er wandte sich an Adsar.
»Wir müssen sie hier wegbringen, in Sicherheit. Dilljen Kohn kann überprüfen,
ob der Fluch noch immer wirkt oder ob die Gefahr für sie vorüber ist. Aber sie
sollte nicht hierbleiben, an diesem Ort. Niemand sollte an einem solchen Ort
bleiben müssen.«
»Ich kümmere mich darum«, nickte der Leutnant. »Aber vorher brauche
ich noch eine Beschreibung von diesem Lundis.«
Scela lieferte diese Beschreibung: klein gewachsen, um die
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