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Der Mann, der nicht geboren wurde

Der Mann, der nicht geboren wurde

Titel: Der Mann, der nicht geboren wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Skergatlu beinahe gleichzeitig in der Hand. Leutnant Adsar war
nicht schnell genug.
    Der Schatten, der aus anderen Schatten hervorsprang, rammte dem
Leutnant von unten eine Nadel in den Kopf und zog sie mit einer einzigen,
fließenden Bewegung wieder heraus. Adsar faltete sich vollkommen lautlos in sich
zusammen wie eine gekappte Marionette, und dennoch erfüllte plötzlich schriller
Lärm die Straße – die hohe, durchdringende Stimme des Mörders:
    Â»Der Mörder! Der Nadelmörder! Hilfe, er ist hieeeeeeeer!«
    Bestar schlug zu, doch dort, wo er zuschlug, war niemand mehr. Der
Nadelmörder war unglaublich wendig. Klein, etwa so klein wie Tjarka, ganz in
Schwarz gekleidet, mit einer Kapuze, die das Gesicht fast völlig umhüllte wie
ein Winterschal.
    Estéron wich keuchend zurück. Aus der Brust des Schmetterlingsmannes
entrang sich ein Stöhnen höchster Todesfurcht.
    Fluchend durchschnitt Bestar mit Skergatlu noch zweimal nichts als
Luft.
    Dann war der Angreifer plötzlich hinter Estéron. Der
Schmetterlingsmann ruderte mit beiden Händen in der Luft, und es sah aus, als
würden seine Fingerspitzen wie auch seine Augen silbern zu glühen beginnen.
Dann krachte ihm durch den Gaumen aufwärts eine Nadel ins Gehirn und ließ das
Glühen verwehen wie eine Illusion.
    Bestar schrie auf und wollte nachsetzen, aber der Mörder schleuderte
ihm einfach den schlenkernden Leib Estérons entgegen.
    Â»Hilfe! Der Nadelmörder! Er ist hinter mir her! So helft mir doch!«
Der bartumrankte Mund des Mörders grinste, als er diese Worte schrie und
langsam vor dem hünenhaften Klippenwälder zurückwich.
    Bestar fing Estéron auf, doch für den Schmetterlingsmann kam jede
Hilfe zu spät. Er war tot, die Augen im Schrecken weit geöffnet, matter die
Pupillen nun noch als einfach nur blind.
    Mit dem Knurren eines tollwütigen Tieres sprang Bestar nach vorne,
doch der Mann vor ihm wandte sich ab und begann zu rennen, nach Norden, dem Haus des Mammuts entgegen.
    Â»Er wird sie alle töten!«, prasselte es durch Bestars Kopf. »Er wird
sie ALLE TÖTEN!« Er
verdoppelte seine Anstrengungen, doch der andere war einfach schneller. Dabei schrie
der Mörder immer noch: »Hilfe! Hilfe! Er will mich erstechen!« Bestar rannte
hinter ihm her, durch Licht und Schatten, Mond und Wolken, vorüber an Türen und
Wänden, Hofeingängen und Fenstern, die glanzlos wirkten wie Estérons Augen
zuletzt.
    So langsam kam Bewegung in die Straße. In den oberen Stockwerken
wurden Fensterläden aufgestoßen. Lichter in Räumen entzündet. Türen geöffnet.
Männer in Nachtbekleidung, mit behelfsmäßigen Schlag- oder Stichwerkzeugen in
den Händen, traten finster blickend und gleichzeitig furchtbleich aus ihren
Türen nach draußen. Die ersten Rufe gellten auf, nahmen das falsche Geschrei
des Mörders wie eine Fackel an und trugen sie weiter. Warchaim erwachte zu
Schrecken und Tod.
    Bestar rannte. Der andere vergrößerte seinen Vorsprung, war einfach
flinker, nicht so massig wie der Klippenwälder.
    Der Mörder erreichte die Kreuzung, die nach links zum Mammut führte, und bog in vollem Lauf tatsächlich nach
links. Bestar stieß gegen eine sich plötzlich öffnende Haustür und trümmerte
sie einfach aus den Angeln. Er ging kurz zu Boden, rollte sich aber hoch und
hatte Skergatlu immer noch in der rechten, knöchern angespannten Faust. Das
Geschrei ringsumher wurde lauter.
    Â»Haltet ihn! Er will den Kleinen umbringen!«
    Zu Bestars Erleichterung rannte der »Kleine« an der Tür mit dem Mammut vorüber, verschwand aber anschließend nach rechts
hinter dem Haus der Stahlerts. Bestar dachte kurz daran, im Haus
des Mammuts Hilfe zu holen, aber wen? Dort waren nur noch Cajin und
Naenn. Cajin war zu unerfahren. Naenn konnte gut und wirksam zaubern, das hatte
Bestar erlebt, als das Mammut einmal an eine
Baumspinnenbrut geraten war, aber war Naenn nach ihrer Mutterschaft schon
wieder stark genug zum Zaubern und Kämpfen? Rodraeg würde Bestar wohl tadeln,
wenn er Naenn jetzt mit hineinzog in diese Verfolgungsjagd.
    Estéron war tot ! Dieser Gedanke kam Bestar
so unwirklich vor, dass er ihn sich fast mühsam ins Bewusstsein hämmern musste.
    Bürger schrien, wütend, aber auch unentschlossen. Keifend schoben
sie sich gegenseitig die Verantwortung des »Tu doch was!« zu.

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