Der Mann der nicht zu hängen war
bis zu dessen 21. Geburtstag bei stehen zu können.
Otto I. von Albanien
Z u Beginn des Jahres 1913 steht Albanien vor einem recht ungewöhnlichen Problem: Das Land sucht einen König!
Nun gehört der Beruf des Königs wirklich nicht zu den Branchen, in denen allzu häufig neue Stellen geschaffen werden. Indessen, Albanien hat sich gegen das Türkenreich erhoben und sich zum unabhängigen Königreich erklärt — nur, was noch fehlt, das ist ein König.
Ein kurioses Problem fürwahr. Kein Wunder, daß die halbe Welt damit beschäftigt ist, einen geeigneten Monarchen für das kleine Land zu suchen. In London ist sogar eigens zu diesem Zweck eine Konferenz einberufen worden, und die Westmächte verhandeln verbissen darüber, ob der künftige Herrscher ein Franzose, ein Engländer oder ein Deutscher sein soll.
Die Albaner haben da ihre ganz eigenen Vorstellungen — nur niemand kommt auf die Idee, sie danach zu fragen. Die Albaner sind Mohammedaner, und sie hätten natürlich am liebsten einen mohammedanischen König, genauer gesagt, Halim Eddine, den Neffen des Sultans in Konstantinopel. Nur, wird er die Krone auch annehmen? Das ist die Frage. General Essad Pascha, der das Land provisorisch regiert, hat auf diplomatischem Wege bereits diskrete Erkundigungen eingezogen. Und Albanien wartet gespannt ab.
Zu jener Zeit hat gerade ein Wanderzirkus seine Zelte in der Landeshauptstadt Tirana aufgeschlagen. Ein deutscher Zirkus, eher kümmerlich, aber immerhin mit zwei herausragenden Leuten im Programm: dem Clown Otto Witte und dem Schwertschlucker Max Hoffmann. Die beiden Kumpane haben schon ganz Europa und Afrika bereist, und neben ihren artistischen Fähigkeiten verfügen die beiden Freunde noch über eine ganz besondere Gabe: Sie sind die geborenen Hochstapler! Und auf diesem Gebiet haben sie schon vieles und Bedeutendes geleistet.
Wie jedermann in Tirana lesen Otto Witte und Max Hoffmann täglich die Zeitungen. Zumindest schauen sie sich die Bilder an. Und alle Zeitungen haben auf der ersten Seite ein Riesenbild von Halim Eddine, den die Albaner zum König krönen wollen. Otto und Max können es kaum fassen: Dieser Halim Eddine sieht fast aus wie Otto Witte. Wenn Otto sein Haar ein wenig grau einfärben und dann noch einen voluminösen türkischen Schnurrbart ankleben würde, wäre er ein perfekter Doppelgänger. Und aus dieser Erkenntnis resultiert ein spontaner, total verrückter Beschluß: Otto und Max werden den Thron von Albanien besteigen. Nicht mehr und nicht weniger.
Otto Witte, äußerst sprachbegabt, wie sich herausstellt, eignet sich in knapp zwei Monaten die nötigen Grundkenntnisse in Albanisch an. Dann lassen sie sich aus Wien zwei Opernkostüme schicken: die Uniform eines Generals und ein türkisches Herrengewand.
So ausgerüstet reisen sie nach Griechenland, nach Saloniki, und besteigen dort ein Schiff, das gerade aus der Türkei kommt. Gleichzeitig gibt ein Komplize in Konstantinopel ein Telegramm auf, adressiert an die albanische Regierung: »Prinz Halim Eddine nach Albanien unterwegs«
Eine unbeschreibliche Vorfreude erregt das ganze Land. Endlich ist es soweit! Am 10. August 1913 wird der vom Volk ersehnte Herrscher erwartet.
An diesem Tag wogt eine unübersehbare Menschenmenge in Durazzo, und den gerade ankommenden beiden Clowns wird doch leicht mulmig in der Magengegend. Aber es hilft nichts. Es gibt kein Zurück mehr. Doch die Aufregung ist völlig unnötig. Alles funktioniert reibungslos. Otto und Max erscheinen auf dem Landungssteg, und glühende Begeisterung schlägt ihnen entgegen. Ehrensalut, ein Feuerwerk der Freude und Frauen, die Rosenblätter streuen.
Welch einen stolzen Gang er doch hat, der künftige Monarch! Er ist sehr groß, geht gemessenen Schrittes und trägt mit Würde den roten Fes. Seine grauen Haare, seine gebieterische Miene, sein imponierender Schnurrbart, alles an ihm verstärkt noch diese majestätische Erscheinung. Er trägt selbstverständlich die Uniform eines türkischen Generals. Ein glänzendes, regenbogenfarbiges Band läuft quer über seine ordengeschmückte Brust. Drei Schritte hinter ihm hält sich ein Türke in respektvollem Abstand. Man erkennt ihn an seinem seidenen Prunkgewand und an dem riesigen Turban.
Kaum haben die beiden Männer albanischen Boden betreten, werden sie auch schon von General Essad Pascha, dem Interimsregenten des Landes, begrüßt. Er kniet sogar vor dem künftigen König nieder. Dieser jedoch bedeutet ihm mit einer Geste
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