Der Mann der nicht zu hängen war
ausgerissen ist. Für große Ausritte war er zu alt, und seit längerer Zeit schon ließ man ihn ohnehin nur noch mit Frauen oder Kindern auf dem Rücken in aller Ruhe Kreise drehen. Und man hat sogar auf seine Launen Rücksicht genommen und immer dafür gesorgt, daß die Frauen auch Jeans trugen.«
Bud, der alte Mustang aus den wilden Bergen, hatte also nur noch wie ein dressierter Zirkusgaul Tag ein, Tag aus im Kreise laufen dürfen. Kein Wunder, daß er das Weite gesucht hatte.
Von der Ranch bis zum Weißen Berg ist er zu Beginn des Winters volle 53 Kilometer gelaufen. Das kann man noch verstehen. Aber warum um Gottes willen ist er dann bis zum Gipfel hinaufgeklettert?
Zwei Wochen später, sobald das Tauwetter es erlaubt, machen sich die beiden Brüder Smiler, Billy und ein Bergführer auf den Weg zu Pegasus bzw. zu Bud, der ja jetzt seine Identität wiedergefunden hat.
Es ist ein langer, anstrengender Aufstieg bis zum Gipfel. Als Billy vor seinem Pferd steht, ist er sehr bewegt. Zwei Monate lang hat er den alten Gaul immer nur überflogen. Jetzt streichelt er das Tier, das nun gerettet werden soll. Aber es fängt plötzlich an, fürchterlich zu zittern, als all die Menschen vor ihm stehen. Bud ist nur noch Haut und Knochen. Er läßt den Kopf hängen. Wenn er seinen Namen hört, richtet er zwar die Ohren auf, zittert aber noch mehr. Und er weigert sich hartnäckig, mit seinen Besitzern abzusteigen. Doch vier Männer sind stärker als ein altes Pferd. Sie ziehen es hinunter, die Hufe versinken im Schnee, rutschen auf dem Eis. Bud kämpft gegen die Menschen und strebt immer wieder nach oben. Schließlich geben die Männer auf.
Erst eine zweite Expedition schafft es einige Tage später, das Pferd herunterzubringen. Bei Einbruch der Nacht legen sich die Bergsteiger in einem Zelt zur Ruhe. Bud ist an einen Pfosten angebunden. Doch als die Männer am Morgen aus ihren Schlafsäcken kriechen, ist er wieder verschwunden. Zwei Kilometer weiter oben finden sie schließlich das völlig erschöpfte Pferd im Schnee.
Erst jetzt versteht Billy, und es zerreißt ihm das Herz, als er miterleben muß, wie Pegasus gegen seinen Willen schließlich doch heruntergeholt wird. Auf einem Karren hält er Einzug in Denver.
Die ganze Stadt ist aus dem Häuschen. Siebentausend Zuschauer klatschen begeistert Beifall, bunte Bänder werden Bud zugeworfen, Kinder laufen mit einer Musikkapelle vornweg. Das Fernsehen ist selbstverständlich auch da, und der Bürgermeister hält eine Rede. Auch Billy wird gefeiert, wird mit seinem Freund, dem Flügelpferd, tausendmal fotografiert. Er aber kann nicht einmal mehr lächeln. Er hat nur noch Augen für das arme Tier, für das traurige, alte Pferd. »Zum Teufel nochmal«, knurrt er. »Ich glaube, ich werde sentimental! Wäre Bud doch noch oben!«
Vierzehn Tage später bekommt Billy einen Anruf. Bud ist tot. Er ist auf der Ranch plötzlich gestorben.
Als der Lokalreporter Billy interviewt, versucht er zu erklären, was er schon beim Abstieg mit Bud begriffen hatte: »Pegasus, Bud war in der Freiheit der wilden Berge geboren. Und als er spürte, daß er bald sterben würde, mußte er dorthin zurück.«
Der kleine Mann aus Wien
1938 — der Zweite Weltkrieg stellt drohend vor der Tür, obwohl sehr viele Menschen in Europa es nicht wahrhaben wollen. Sie leben weiterhin ziemlich unbekümmert, als gäbe es keinen Hitler, keinen Stalin, keinen Mussolini, keinen Roosevelt, als taumelte der alte Kontinent nicht von einer Krise in die andere. »Warum denn immer alles so schwarz sehen! Die Regierungen werden schon einen Weg finden.«
Die meisten Europäer allerdings ahnen es zumindest: Dieser Konflikt ist nicht mehr am grünen Tisch zu lösen. Sie alle verstehen sehr wohl den Ernst der Lage und sehen der weiteren politischen Entwicklung mit Besorgnis entgegen.
1938 ist Roman Bielski zwanzig Jahre alt. Wie schon sein Name verrät: Er ist Pole. Im Augenblick allerdings lebt er fern von jeder Gefahr in Frankreich, in der Nähe von Lyon.
Das Leben ist herrlich! Gerade hat er seine Prüfung bestanden, und jetzt ist er Fluglehrer, einer der jüngsten Fluglehrer Frankreichs. Die Veteranen im Aero-Club und sämtliche Piloten der Gegend kennen diesen kleinen Polen seit Jahren. Der wiederum vergötterte sie alle schon als Kind. Sie nahmen ihn auch oft mit hinauf in ihren klapprigen Flugapparaten. Loopings, Tiefflüge, Rückenflug — war das immer ein Spaß gewesen. Auch als er älter wurde, lebte Roman
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