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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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der alten Dame wieder auf: »Hallo? Hören Sie mir jetzt gut zu: Können Sie sich daran erinnern, ob Sie vielleicht von einem Bewegungstherapeuten behandelt werden? Sagt Ihnen das Wort etwas?«
    »Ja, schon, sicher sogar. Das Wort ist so kompliziert..., ich habe... es mir gemerkt.«
    »Sehr gut. Passen Sie auf: Ich nehme jetzt das Telefonbuch und lese Ihnen die Namen aller Bewegungstherapeuten vor. Wenn Sie den Namen erkennen, sagen Sie es mir, ja?«
    Zwanzig Minuten später ist Skager beim 39. aller »Heilgymnastiker«, die in Kopenhagen und Umgebung niedergelassen sind. Mehrmals mußte er unterbrechen, um die alte Dame zu beruhigen, die immer wieder klagt, daß sie blutet, daß sich alles um sie herum dreht, daß sie bestimmt gleich stirbt.
    Der 43. Therapeut in alphabetischer Reihenfolge heißt Henning Thomsen. Die alte Dame stößt einen schwachen Ruf aus: »Das ist er... ganz bestimmt! Henning... Thomsen... ja.«
    Es ist jetzt bereits vier Uhr früh, und noch immer liegt schwarze Nacht über Kopenhagen. Sekunden später wählt der junge Feuerwehrmann die Nummer des Arztes. Es dauert lange, bis eine verschlafene Stimme sich endlich meldet: »Es tut mir leid, aber Herr Thomsen ist übers Wochenende verreist. Er ist telefonisch nicht erreichbar.«
    Die letzte Hoffnung. Jetzt ist es endgültig aus. Und die alte Dame wird irgendwo in der Stadt verbluten. Sie wird immer schwächer. Nur noch ein Wunder könnte sie retten. Beide Männer, der ältere, diensterfahrene Skager und der junge Rasmussen sind völlig entmutigt. Es muß doch eine Rettung möglich sein! Aber wie? Die alte Dame muß sich doch noch an andere Sachen erinnern können, wenn sie schon den Namen des Arztes erkannt hat.
    Also nimmt Oberfeuerwehrmann Skager das seltsame Gespräch wieder auf: »Hallo? Hören Sie mich? Wie geht es Ihnen? Können Sie noch sprechen?«
    Die Stimme der alten Frau ist kaum noch zu hören. »Hallo! Hören Sie! Sie müssen uns helfen! Versuchen Sie es! In Ihrem Zimmer brennt doch Licht, oder?«
    »Ja!«
    »Beschreiben sie uns, was Sie sehen. Wie sieht Ihre Wohnung aus? Das kleinste Detail kann uns einen wichtigen Hinweis geben, verstehen Sie? Also, was selten Sie?«
    »Den Teppich... voller Blut...«
    »Moment mal, Sie sagen Teppich. Ist es ein Teppichboden oder ein Bettvorleger, der vielleicht auf einem Parkett liegt?«
    »Ja, ein altes Parkett.«
    »Sehr gut. Und wie ist die Decke? Ist sie sehr hoch?«
    »Ja, sehr hoch, mit Stuck...«
    »Mit Stukkaturen! Es ist also ein altes Haus! In Ihrem Zimmer gibt es doch ein Fenster, wie sieht es aus?«
    »Schmal... hoch...«
    »Mit zwei Flügeln und einem Fensterriegel, nicht wahr? Hat es Vorhänge?«
    »Es ist... so... wie Sie sagen... aber keine Vorhänge.«
    »Sind die Fensterläden geschlossen?«
    »Nein, ich kann die Mauer... auf der... anderen Straßenseite... sehen. Sie ist beleuchtet... Ich glaube, es ist eine Straßenlaterne da.«
    Nach dieser letzten Anstrengung sagt die alte Frau nichts mehr. Fieberhaft wiederholt Skager alle Details.
    Der junge Feuerwehrmann Christian Rasmussen schreibt alles genau auf. Also: Zu finden ist ein altes Haus mit schmalen Fenstern in einer engen Straße, denn die Frau kann die Mauer gegenüber sehen. Das Fenster ist hell, wahrscheinlich im Erdgeschoß oder im ersten Stock, sonst könnte sie die Straßenlaterne nicht sehen.
    »Schön und gut, aber das bringt uns überhaupt nicht weiter! Ein helles Fenster irgendwo in Kopenhagen. Wie soll man es finden? In welchem Viertel soll man überhaupt suchen? Wenn sie nur noch einige Kleinigkeiten beschreiben könnte!«
    »Hallo? Sie wissen wirklich nicht mehr, wie die Straße heißt? Hallo! Hallo!«
    Doch die alte Dame antwortet nicht mehr. Sie hat nicht aufgehängt. Wahrscheinlich ist sie wieder ohnmächtig — oder vielleicht schon tot.
    »Jetzt ist es, glaube ich, endgültig aus«, meint Skager. »Aber trotzdem: Häng nicht auf, Kleiner. Wer weiß, vielleicht wacht sie wieder auf! Zu dumm! Und dieser Arzt, der auf Reisen ist. Nur der könnte noch helfen. Na ja, auf alle Fälle, leg nicht auf. Mehr können wir im Augenblick nicht tun.«
    »Aber wir blockieren die Leitung 18 seit über zwei Stunden, Skager! Wenn’s nun irgendwo brennt, und man uns nicht erreichen kann?«
    »Ich übernehme die Verantwortung. Schließlich können sie dann auch bei der Polizei anrufen. Die Chancen stehen eins zu einer Million, daß die arme Frau wieder aufwacht, aber bleib am Hörer, ja? Man kann nie wissen.«
    Eine Stunde

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