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Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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einstweilen.« Er wandte sich dem Ausgang zu.
    Jamila trat an Tim heran und umarmte ihn, was ihn fast noch mehr irritierte als Kogans Äußerung über seine Zukunft. Es war nur eine flüchtige Umarmung, verbunden mit dem unverbindlichen »Kuss«, den sich inzwischen ja sogar wildfremde Leute gaben, und den aufmunternden Worten:
    »Kopf hoch, Champ. Ich melde mich, sobald ich kann.«

    Kogans Kryptologe nickte dem Helden nur zu. »Sie sind ‘n echter Freak, Labin. Das muss man Ihnen lassen.«
    Das Funkeln in seinen Augen gefiel Tim nicht.
    Wahrscheinlich neidete ihm der Bursche den Erfolg. »Danke, Mr. Spock.«
    »Mein Name ist Flock, Mr. Timputer«, zischte dieser. »Justin Flock.«
    Tim zuckte mit den Schultern. »Sie arbeiten für die NSA. Flock, Spock, Spook – wo ist da der Unterschied?«
    Wenn die Türen des Thomas Jefferson Buildings sich für das Publikum schlossen, kehrte in den gewaltigen Komplex gespenstische Stille ein. In einem entfernten Winkel wurde jedoch noch leise gesprochen. Am hinteren Ende des Ostkorridors gab es im Obergeschoss eine Treppe, die zu einer Galerie hinaufführte. Von dort hatte man einen grandiosen Blick auf den Main Reading Room mit seinen konzentrisch angeordneten Lesetischen. Emil Kogan und Jamila beachteten jedoch weder die Schönheit des runden Saals, noch die ehrwürdige Architektur des Gebäudes.
    Owl nahm die dunkle Brille ab und sah Morgiane aus großen, vorstehenden Augen an. »Stehst du noch auf meiner Seite, kleine Märchenfee?«
    Jamila fröstelte. Sie hatte es nie als angenehm empfunden, dem unverhüllten Blick der Eule begegnen zu müssen. »Ich verstehe nicht ganz, worauf Sie hinauswollen, Emil.«
    »Das ist doch ganz einfach. Du bist eine wunderschöne junge Frau und Tim Labin ein gut aussehender Bursche. Da kann man leicht die Distanz verlieren.«
    »Unsere Beziehung ist rein professioneller Natur.«
    »Das heißt, wir spielen immer noch mit derselben Farbe?«
    »Ja«, antwortete sie fest und fragte sich einmal mehr, ob sie zu den weißen oder schwarzen Schachfiguren gehörte. »Ich habe bei meiner Aufnahme in die Agency einen Eid geleistet, Emil, und an den halte ich mich auch.«
    Wie ein Uhu starrte Kogan sie mit versteinertem Ausdruck an, so als könne sein Blick jedes einzelne Neuron in ihrem Gehirn abwägen. Dann hellte sich seine Miene auf, und er nickte zufrieden. »Schön. Es freut mich, dass es in unserer Welt doch noch Loyalität gibt. Ich habe einen neuen Befehl für dich: Morgen fährst du mit Justin nach Buford, zu dieser Stelle, die Beale im Blatt I angegeben hat. Nehmt ein GPS und Metallsuchgeräte mit. Wenn ihr die Eisentöpfe gefunden habt, rufst du mich an.«
    Wieder einmal war es der Eule gelungen, Jamila zu überraschen. Sie hatte mit einer groß angelegten Suchaktion gerechnet, und nun sollte sie mit ihrem ehemaligen Kollegen aus der Bostoner »Fabrik«, mit Karims bestem Freund, mit der »Welt weisestem Witzbold«, mit dem Großmaul Justin Flock hochbrisantes Material lokalisieren? »Das Projekt ist doch top secret. Bisher war Justin nicht involviert. Warum plötzlich er und nicht Squirrel?«, wagte sie aufzubegehren.
    Kogans Gesicht blieb ausdruckslos. »Gerade weil der Beale-Schatz, sollte sich deine Theorie am Ende doch als wahr erweisen, vielleicht einen so explosiven Inhalt hat, darf nur ein kleiner Personenkreis eingeweiht werden. Ich habe aus gutem Grund entschieden, Flock ins Team zu holen. Er kennt jetzt den Inhalt der Chiffre, ergo muss er auch dran glauben.«
    Jamila stutzte. Sie hatte feine Antennen für die Art, wie Kogan mit Sprache umging. »Dran glauben? Wie meinen Sie das?«
    »Du musst Justin töten, sobald ihr den Schatz gefunden habt.«
    »Was? Erst Tim und jetzt…« Sie verstummte, weil sie den Vornamen des Mannes benutzt hatte, der ihr alles andere als gleichgültig war.

    Kogan ging nicht darauf ein, sondern erklärte stattdessen:
    »Um den Deutschen kümmere ich mich persönlich, nachdem du telefonisch Vollzug gemeldet hast. Wir wollen Morgiane ja nicht überfordern.«
    Sie fuhr sich mit der Hand an den Hals. »Ja, aber Justin… Warum er?«
    »Flock ist ein Maulwurf. Er war es, der deinen Bruder mit einem fingierten Einsatzbefehl unserer Abteilung nach England beordert hat. Offenbar wurde er bereits kurz nach unserem Camp auf Deer Island rekrutiert.«
    Jamila entsann sich der E-Mail auf Karims USB-Stick, den Tim auf dem Flug nach New Haven geknackt hatte. »Ist Azam von ihm auch…« Sie musste schlucken, um sich

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