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Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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vom Zorn, den der Gedanke in ihr heraufbeschwor, nicht überwältigen zu lassen. »Hat Justin ihn nach Boston geholt? Um… Karim zu ermorden?«
    Kogan griff nach ihrer Hand, um ihr Halt zu geben. Seine oft so raue Stimme wurde mit einem Mal sanft und mitfühlend.
    »Im Krieg haben die Russen meine Eltern umgebracht, kleine Märchenfee. Erst meinen Vater und kurz nach meiner Geburt auf grausamste Weise auch die Mutter. Zwar bin ich noch zu klein gewesen, um zu verstehen, aber später hatte ich eine ohnmächtige Wut empfunden und mir Rache geschworen. Ich kann gut nachfühlen, wie schmerzlich das für dich sein muss, doch es ist wahr: Justin hat im letzten Jahr am 3. August über den Mailserver der NSA die Nachricht an Azam geschickt, er solle nach Boston kommen. Er kannte sogar den Tarnnamen, den ich deinem Bruder gegeben hatte. Von einer Liquidierung stand zwar nichts in der Mitteilung, aber ich fürchte, Justin hat bei Karims Ermordung eine Schlüsselrolle gespielt.«
    Alles drehte sich mit einem Mal um Jamila. Ihre Knie wurden weich. Bestand denn die ganze Welt nur aus Lug und Trug, aus Verrat und Intrige? Sie schüttelte den Kopf. »Justin ist nicht der Typ, der so etwas aus eigenem Antrieb durchzieht. Jemand muss ihn geschickt haben.«
    Kogan nickte bedeutungsschwer. »Aliat Mansube.«
    »Die Meister des Endspiels?«
    »Ja. Ich dachte mir, dass du skeptisch sein würdest. Deshalb habe ich dir etwas mitgebracht, vor dem ich dich eigentlich verschonen wollte, bis alles aufgeklärt ist.« Er zog eine Fotografie aus der linken Brusttasche und reichte sie Jamila.
    Konsterniert starrte sie auf das Bild. Es war nicht besonders scharf, vermutlich mit einem starken Teleobjektiv aufgenommen, zeigte aber unverkennbar Justin zusammen mit Azam. Sie saßen in einem Cafe oder wohl eher einem Teehaus – der Hintergrund sah orientalisch aus.
    Kogan deutete vage auf den Schnappschuss. »Kollegen des pakistanischen Geheimdienstes haben das im letzten Frühjahr in Islamabad aufgenommen.«
    Sie schüttelte fassungslos den Kopf. »Pakistan? Sie haben Azam doch oft für Ihre… Grauzonenoperationen eingesetzt. Vielleicht kannten die zwei sich daher.«
    »Bis vor neun Monaten war ich der festen Überzeugung, sie würden sich nicht kennen. Ich habe mit deinem Bruder meistens über tote Briefkästen kommuniziert, manchmal trafen wir uns auch an konspirativen Orten, aber Azam Zardah war niemals in Crypto City. Aliat Mansube wollte offensichtlich in unsere Abteilung eindringen, um sich für den Krieg im Cyberspace Informationen zu beschaffen, und dafür haben sie sich Justin ausgesucht. Er besitzt die nötigen Kenntnisse, ist genial, aber leider manchmal zu sehr auf den eigenen Vorteil bedacht.«
    »Mit anderen Worten korrupt.«
    Kogan hob theatralisch die Hände. »Was weiß denn ich, Jamila! Vielleicht kämpft er ja auch aus Überzeugung gegen uns. Hast du dir mal seine T-Shirts angesehen? Fest steht, dass er diesen ganzen Schlamassel angerichtet hat.«
    »Was? Sie meinen die Beale-Krise? Den Börsencrash? Die Firmenpleiten? Das war alles er?«
    »Im Auftrag der Meister des Endspiels«, bestätigte Kogan mit einem gewichtigen Nicken. »Natürlich hat er nicht jeden einzelnen Konkurs zu verantworten. Er machte nur, was ich ihm beigebracht habe. Hat sich einfach auf die Welle draufgeschwungen, die nach der Veröffentlichung des dritten Beale-Blattes durch die Medien schwappte. Vermutlich hat er den Hype sogar noch durch ein paar geschickt lancierte ›Indiskretionen‹ vergrößert und dann aus der Sensationsverliebtheit der Medien und dem Zweckpessimismus der Anleger den explosiven Cocktail gemischt, der die ganze Chose hochgehen ließ.« Er schüttelte zerknirscht den Kopf. »Und ich bin an allem schuld.«
    Eigentlich hätte nun Jamila ihn trösten müssen, doch sie entzog ihm die Hand. Ihr war immer noch schwindelig. Sie stand völlig neben sich, wusste nicht, was sie denken sollte.
    Der Schnappschuss aus Pakistan könnte ebenso gut eine digital erstellte Fotomontage sein, machte sie sich klar. Andererseits hatte sie Justin nie besonders gemocht. Er war ihr schon immer wie eine falsche Schlange vorgekommen. Eigentlich bestätigte und komplettierte Emil an einigen Stellen nur, was auch Karim schon herausgefunden hatte…
    »Ich könnte Justin umbringen«, zischte sie.
    »Dann tu es«, hakte Kogan sofort ein, sichtlich zufrieden, sie endlich überzeugt zu haben. »Lass ihn in Buford ein tiefes Loch schaufeln.«
    Am Dienstagmorgen

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