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Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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das andere ist möglich«, bemerkte Tim. »Ich denke, die übrigen Namen lohnen ebenfalls von uns durchleuchtet zu werden. Taft erinnert mich an William Howard Taft, den amerikanischen Präsidenten.«
    »Alphonso Taft war sein Vater«, erklärte Jamila beiläufig.

    »Oha! Da haben wir ja eine schöne Clique beisammen. Und eine internationale noch dazu.«
    Afsahi zupfte sich am Schnurrbart. »Ja, aber das ist zugleich auch merkwürdig. Im Zeitalter der Videokonferenzen ist es kein Problem, wenn ein Entscheidungsgremium beiderseits des Atlantiks verteilt ist, aber 1822 hatte Beales ›Komitee‹ nicht einmal Telegrafenverbindungen.«
    Tim deutete auf den Zettel. »Der Rat war mit einer Zweidrittelmehrheit beschlussfähig. Es hätte also genügt, einen Stimmberechtigten über den großen Teich zu senden.«
    Der Professor schüttelte den Kopf. »In den wenigen Zeilen stecken so viele neue Aspekte. Ich habe heute Nachmittag noch etwas Wichtiges zu erledigen. Lassen Sie uns alles heute Abend in Ruhe und ganz ungestört besprechen. Wie wäre es, wenn wir uns um acht bei mir treffen? Rose bekomme ich zwar jetzt nicht mehr dazu, uns zu bekochen, aber mir wird schon etwas einfallen.«
    »Sie können ja eine Pizza bestellen«, schlug Tim vor.
    Afsahi verzog das Gesicht. »Gott bewahre! Einen alten Perser können Sie mit Mafia-Steaks nicht ködern. Mir fällt sicher etwas ein, mit dem ich Sie überraschen kann.«

    »Mein Hunger hat kontinentale Dimensionen. Ich bin schon auf die Überraschung gespannt«, sagte Jamila. An diesem Abend trug sie neben Mantel und Schal passende rote Lederhandschuhe, die ihre schlanken Hände besonders betonten. Tim hatte seine Teamkollegin, ganz gentlemanlike, wieder von ihrem Quartier in der Newnham Croft Street abgeholt. Weil alle Unterkünfte, auch das Haus von Prof.
    Afsahi, im Umkreis des Instituts lagen, liefen die zwei zu Fuß.
    Es war dunkel, das Pflaster nass, und ein unangenehmer Wind wehte durch die Straßen von Cambridge.

    Er schüttelte belustigt den Kopf. »Mir ist es ein Rätsel, wie du solche Mengen verdrücken und trotzdem schlank wie eine Elfe bleiben kannst.«
    »Oh, danke für das Kompliment.«
    Erst ihre Äußerung machte ihm bewusst, dass er schon wieder vorschnell seine Gedanken ausgesprochen hatte.
    Wenigstens schien es ihr diesmal zu gefallen. Er deutete die Straße hinab. Afsahis Haus war das drittletzte in der Sackgasse. »Zircon hat uns zu Ehren die Festbeleuchtung eingeschaltet.«
    Tatsächlich brannte in sämtlichen Fenstern seines Hauses Licht.
    Jamila runzelte die Stirn. »Das kenne ich gar nicht von ihm.«
    Sie beschleunigte ihren Schritt. Als sie zur Gartenpforte kamen, fanden sie diese offen vor.
    »Vielleicht ist außer uns beiden heute noch jemand anderes eingeladen«, mutmaßte Tim.
    »Wer sollte das sein? Wir wollten über Forschungsgeheimnisse reden.«
    »Dein ominöser Chef vielleicht?«
    Ihre Antwort bestand in einem mürrischen Blick, dann betrat sie das Grundstück.
    Tim holte sie schnell wieder ein und erreichte als Erster die Haustür. Er klingelte.
    Niemand reagierte.
    Er schellte erneut.
    Doch Afsahi rührte sich nicht.
    Jamila legte ihre Rechte an die Tür und drückte dagegen; sie sprang mit leisem Klicken auf. »Nicht mal zugeschnappt?«, murmelte sie besorgt.
    Allmählich machte sich auch Tim Sorgen. Was hatte das alles zu bedeuten? Die Worte aus Afsahis Brief kamen ihm in den Sinn: Jede Indiskretion könnte für uns beide gefährlich sein. Er wollte sofort ins Haus stürzen, doch Jamila legte ihre Hand auf seine Brust und flüsterte: »Warte!«
    Beide lauschten. Kein Geräusch drang aus dem Haus.
    »Zircon?«, rief Tim.
    Jamila zuckte zusammen, warf ihm einen zornigen Blick zu und lief ins Haus. Ehe er ihr folgen konnte, war sie schon im Wohnzimmer verschwunden. »Tim, komm schnell her!«, rief sie von dort.
    Mit einem Mal hatte Tim das Gefühl, etwas Schreckliches könnte geschehen sein. Er stürzte Jamila hinterher und blieb in der Tür zum Wohnzimmer wie angewurzelt stehen.
    Seine schlimmsten Befürchtungen waren eingetroffen. Zircon Afsahi lag verkrümmt neben dem Erkertischchen auf dem Fußboden. Seine Lippen waren blau, die Augen weit aufgerissen, und ein Stöhnen drang aus seiner Kehle, als litte er furchtbare Schmerzen. Jamila kniete schon bei ihm, drehte ihn auf den Rücken und zog ihn auf ihre Oberschenkel.
    Unterdessen war auch Tim durch den Raum geeilt und ging neben ihr und Afsahi in die Hocke. »Was ist mit ihm?«
    »Ich bin

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