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Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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diskreditieren.
    Einige Fundamentalisten aus ihren Reihen träumen sogar von der Erneuerung des Britischen Empire und einer Renaissance der Monarchie.«
    »Sie wollen die parlamentarische Ordnung abschaffen?«
    »Und am liebsten die Vereinigten Staaten wieder der Krone unterstellen. Das klingt bizarr, ich weiß. Aber es sind Extremisten, Tim. Nicht weniger gefährlich als die aus dem islamischen Lager, die eine Weltrevolution unter dem Banner von Halbmond und Stern herbeisehnen. Das ist einer der Gründe, weshalb wir den britischen MI5 bei der Aufklärung unterstützen.«
    »Jetzt wird mir die ein oder andere Äußerung des Professors klar. Trotzdem scheint er für mich nicht der Typ gewesen zu sein, der sich mit einem Bombengürtel in einer Einkaufspassage in die Luft sprengt.«
    »So habe ich ihn auch nicht eingeschätzt. Aber in seinen Ansichten war er trotzdem radikal. Die NSA versucht schon seit geraumer Zeit, in den verschlüsselten Nachrichtenverkehr der Neuen Loyalisten einzudringen – bisher vergeblich.«
    »Und deshalb haben sie dich auf ihn angesetzt, die Meisterspionin Jamila Bond.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Die Wirklichkeit ist um vieles nüchterner als die Glitzerwelt des Films, Tim. Ich bin nur eine Patriotin, die ihrem Land dienen und Amerika im Krieg gegen den Terror unterstützen will.«
    Tim verzog den Mund. »Jetzt klingst du wie dieser Präsident.
    Wie hieß er doch gleich…?«
    »Ich weiß genau, dass du seinen Namen nicht vergessen kannst«, erwiderte sie trocken.
    Er gab den Versuch auf, die Situation zu entspannen, und wurde wieder ernst. »Es gibt Dinge, die bleiben besser unausgesprochen. Trotzdem würde ich gerne wissen, wie diese ganze Geschichte mit deiner Theorie über die Beale-Chiffre zusammenpasst. Die Amerika-Hasser aller Länder müssen sich doch geradezu die Finger danach lecken, euch eins auszuwischen und in den Besitz der…« Er verstummte, als ihm mit einem Mal die ganze Dimension des Plans bewusst wurde.
    Jamila lächelte. »Genau das ist unsere Absicht. Wir wollen möglichst viele Fundamentalisten aus ihren Löchern locken.
    Mit Speck fängt man bekanntlich Mäuse. Du als Schachspieler müsstest die Taktik eigentlich kennen: Es ist ein Gambit.«

    Das Wort rief einen Schauer über Tims Rücken, ohne dass er wusste, warum. »W-was?«
    Sie nickte wissend. »Man opfert ein paar entbehrliche Figuren für einen strategischen Vorteil. Unsere Experten glauben, dass die Beale-Chiffre in Wahrheit keine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt. Niemand, der noch alle Sinne beisammen hat, würde ernsthaft annehmen, die Vereinigten Staaten ließen sich von einem Blatt Papier zu horrenden Abgaben zwingen oder sogar ihre Führungsrolle in der Welt streitig machen. Aber Extremisten denken eben extrem, meint mein Boss. Er vertritt die Philosophie: ›Wenn du deinen Gegner nicht besiegen kannst, dann lass ihn sich selbst besiegen.‹ Mit der Finte will er auf Seiten des Feindes Fehler provozieren…«
    »Moment mal!«, unterbrach Tim sie. »Dieses Zitat, die Philosophie deines Bosses – hat er diese Worte benutzt?«
    »Ja. Ich nehme mal an, der Spruch ist nicht auf seinem Mist gewachsen. Vermutlich stammt er vom chinesischen General Sunzi. Sein Werk Die Kunst des Krieges strotzt ja nur so von derlei Weisheiten über die Kriegführung.«
    Tim schüttelte den Kopf. »Der Ausspruch wird Ruy Lopez zugeschrieben, einem großen Schachlehrer des 16. Jahrhunderts.«
    Sie zuckte die Achseln. »Wie auch immer. Die Strategie ist jedenfalls aufgegangen.«
    Er sah zu den bewusstlosen Folterknechten hinüber. »Ja, und mich habt ihr als Köder benutzt. Mir reicht’s. Für einen Abend hatte ich genug Unterricht in Strategie und Taktik. Ich will jetzt nur noch nach Hause und ein paar Dinge in meinem Kopf sortieren… Au!« Er hatte sich auf die Beine hochgequält und jäh einen stechenden Schmerz in der Rippengegend verspürt.
    Sofort war Jamila bei ihm, um ihn zu stützen. »Zu jeder Special Squad gehört ein Arzt. Ich bringe dich…«

    »Es geht schon«, spielte er das heftige Ziehen herunter. »Die Visitenkarte dieses Mr Pain drückt mir nur etwas in die Seite.«
    »Keine Widerrede, Tim! Vielleicht ist eine Rippe gebrochen.«
    Zornig befreite er sich aus ihrem Griff. »Lass mich in Ruhe, JJ. Die Befehle kannst du dir für deine Spionagetruppe aufheben. Mr Pain hat mir versichert, seine Folterknechte hätten mich mit Glacehandschuhen angefasst.«
    Das rote Licht ging aus.
    Er wandte sich

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