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Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hatte ich mal ein Anwesen auf Deer Island gemietet und dort ein Seminar vorbereitet … Deer Island befand sich, wie Tim in einer so unspektakulären Quelle wie der Wikipedia entdeckte, im Privatbesitz der RTA. Nur ehemalige Mitglieder von Skull and Bones konnten die im Sankt-Lorenz-Strom gelegene Insel mieten.
    Also musste Jamila eine Boneswoman…
    »Hier steckst du! Ich habe mir Sorgen gemacht«, sagte unvermittelt die Stimme der »Knochenfrau«.
    Tim zuckte zusammen. Mit einem raschen Griff schaltete er auf ein anderes, unverfängliches Bildschirmfenster um. Zum Glück stand Jamila hinter dem Monitor, konnte also die verräterische Seite nicht sehen. Er rang sich ein Lächeln ab.
    »Das ist auch bitter nötig. Ich hätte vor Schreck fast eine Herzattacke bekommen. Musst du dich so anschleichen?«
    »Wieso? Hast du was zu verbergen?« Sie lief um den Monitor herum, warf einen Blick auf die Internetseite des Vorbenutzers – es war ein Kochrezept – und verzog angewidert das Gesicht. »Lamm mit Mintsoße? Igitt!«
    »Findest du nicht, wir könnten unseren Abschied von der Insel mit einem typisch englischen Essen feiern?«, improvisierte er.
    Ihre Miene troff geradezu vor Argwohn. »Ist das dein Ernst?
    Heute Mittag wärst du fast das Opferlamm geworden.«
    »Du hast recht. Gehen wir nach der Arbeit lieber zu Pizza Hut und teilen uns eine ›Bigfoot‹.«
    Sie hielt ihm einen Stapel Papiere unter die Nase. »Ich habe den Abgleich für dich erstellt. Von den Werken, die dir noch fehlen, sind nur vierzehn nicht im Bestand der Kongressbibliothek verzeichnet.«
    Er nickte. »Das ist gut. Die müsste ich bis spätestens Donnerstagabend intus haben.«
    »Dann buche ich uns einen Flug für Freitag. Mein Chef bringt mich um.«

    »Jetzt übertreib mal nicht. Du wirst ihm das schon irgendwie beibringen. Kannst du mir die Bücher von der Ausleihe besorgen? Ich komme gleich nach.«
    Ihr Blick wanderte wieder zu dem Lamm in Mintsoße. Ohne ein weiteres Wort stapfte sie davon.
    »Puh! Das war knapp«, flüsterte Tim und holte wieder das eigene Bildschirmfenster in den Vordergrund. Beim Lesen der Internetseiten über die Bruderschaft des Todes war ein wahrer Funkensturm durch sein Gehirn geweht. Thomas Jefferson Beale hatte William H. Russel, den Gründer des Ordens, in das Komitee zur Bewahrung seines Geheimnisses berufen. Gab es darüber hinaus noch einen größeren Zusammenhang zwischen Beale und der Loge 322? Nicht nur das ständig wiederkehrende Spiel mit den Ziffern drei und zwei ließ ihn dies ahnen. Auch die von Jamila zitierten Worte aus Beales letztem Testament legten die Vermutung nahe: Immer noch schreien in meinen Träumen die Schädel und Knochen der Toten zu mir.
    Hatte das von ihm gegründete Komitee in der geheimen Gesellschaft Skull and Bones die »geeignete Form« gefunden, um seinen letzten Willen zu erfüllen?
    Tims Augen suchten nach der Uhr am unteren Bildschirmrand. Die Zeit verrann wie im Fluge. Vermutlich erwartete ihn Jamila bereits im großen Lesesaal. Er wollte die Recherche schon abbrechen, schloss gerade die Bildschirmfenster, als er in der Trefferliste der Suchmaschine auf den Namen Ron Rosenbaum stieß. Rosenholz, Rosenbaum – das klang ähnlich genug, um in seinem Geist eine Kerze anzuzünden. Rasch klickte er auf den Link.
    Das Esquire Magazine hatte im September 1977 einen Artikel des Enthüllungsjournalisten veröffentlicht, der schonungslos mit Skull and Bones ins Gericht ging.
    Rosenbaum war für die Bruderschaft durch seine Schnüffelei zum verhassten Captain Ahab avanciert und sah sich vonseiten der Loge 322 massiven Drohungen ausgesetzt. Trotzdem führte er namentlich mehrere Bonesmen auf, die ihre im Orden eingeübte Geheimnistuerei nach dem Abschluss bei der CIA perfektionierten. Als prominentesten Vertreter dieser Ehemaligen nannte er George Herbert Walker Bush, den dreiundvierzigsten Präsidenten der USA, der vor der Übernahme des höchsten Staatsamtes 1976 als Direktor zur
    »Firma« gegangen war.
    Probeweise kombinierte Tim die Suchbegriffe »Skulls and Bones« und »CIA« und erhielt Tausende von Treffern. So bekam er wenigstens eine Ahnung von den engen Verflechtungen des Geheimdienstes mit der Loge 322, wenngleich er das Informationsangebot nicht mehr sichten konnte. War womöglich auch Jamila durch einen bei der CIA tätigen Ex-Bonesman in den Dunstkreis der Geheimdienste geraten?, fragte er sich. Und wenn ja, welche Schlüsse sollte er daraus ziehen? War es nicht allzu

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