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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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Bin-Jassir hatte die Wahrheit mit einem Schutzwall aus Lügen umgeben, wie die Briten das Jahrhunderte später formulieren sollten, und damit den Ungläubigen die Verachtung zukommen lassen, die ihnen gebührte. Mitten in ihrem eigenen Lager hatte er sie getäuscht, um seinen gerechten Kampf weiterführen zu können.
    Zur Zeit des Propheten waren Täuschungsmanöver eine Grundvoraussetzung des Überlebens, das zeigte auch eine weitere Geschichte um den Anführer eines arabischen Stammes, der einen Mordanschlag auf Mohammed plante. Der Prophet wies seine Gefährten darauf hin, wo die Schwachstelle des mutmaßlichen Mörders lag: in seiner Eitelkeit nämlich. Folglich machten sie dem Scheich bei einem Besuch Komplimente für sein wundervolles Duftwasser und baten ihn, sich etwas näher zu ihnen zu beugen, damit sie diesen bezaubernden Duft genießen könnten … noch ein wenig näher, schöner Scheich, und noch ein wenig näher. Und als er schließlich nahe genug war, schlugen sie dem eitlen Herrn den Kopf ab. Auch diese Geschichte illustrierte eine ewige Wahrheit der Kriegsführung. Steht man einem schwierigen Gegner gegenüber, ist es manchmal das Beste, ihn bei seiner Eitelkeit zu packen. Man muss ihn aus der Deckung herauslocken und ihn dann in etwas hineinziehen. Das richtige Maß an Druck auf genau die richtige Stelle, und er zerbricht von innen heraus. So hatten es die Muslime im Irak mit den USA gemacht. Warum sollte das nicht auch umgekehrt funktionieren?
    Mit neu erwachter Aufmerksamkeit wandte sich Ferris wieder dem Buch zu, das immer noch aufgeschlagen auf seinem Schoß lag. Die Operation, von der darin berichtet wurde, war eine meisterhaft inszenierte Kriegslist gewesen, mit der es den Briten im Jahr 1943 gelang, ihre Landung in Sizilien bis zuletzt vor den Deutschen geheim zu halten. Um ihren Gegner stattdessen davon zu überzeugen, dass die Invasion in Griechenland stattfinden würde, erschufen sie eine Illusion, die so perfekt war, dass die Deutschen, die glaubten, einem großen Geheimnis auf der Spur zu sein, sich förmlich darauf stürzten und ihnen den ganzen Schwindel abnahmen.
    Ferris richtete sich kerzengerade in seinem Flugzeugsitz auf. Er bestellte einen Kaffee bei der Flugbegleiterin und fing dann an, sich Notizen zu machen. Und als das Flugzeug schließlich in Dulles landete, hatte er bereits eine Idee.
     
    Als Ferris eintraf, saß Hoffman mit finsterer Miene an seinem Schreibtisch. Er sah gar nicht gut aus. Das rötliche Gesicht wirkte aufgedunsen, und er hatte dunkle Ringe unter den Augen, als hätte er zu wenig geschlafen und zu viel getrunken. Selbst das raspelkurze Haar schien zu hängen. Er sah überhaupt nicht mehr aus wie ein Kasinobesitzer, sondern eher wie ein kleiner Buchmacher, der sämtliche Wetten verloren hat. Sein Stellvertreter saß am Konferenztisch und blätterte in einem dicken Ordner, doch als Ferris ins Büro kam, schickte Hoffman ihn hinaus und schloss die Tür.
    Hoffman sprach mit leiser, heiserer Stimme. Er sah Ferris nicht direkt an, sondern hielt den Blick auf die Tischplatte gerichtet. »Ich könnte mich jetzt entschuldigen, aber das wäre Quatsch. Trotzdem hätte ich Sie natürlich vorwarnen müssen, dass Ihnen die ganze Scheiße wegen Mustafa Karami um die Ohren fliegen wird. Das war ein Fehler.«
    Ferris sah ihn fassungslos an. »Was soll denn das heißen? Sie wussten, dass Karami tot ist? Noch bevor Hani mich zu sich zitiert hat?«
    »Ja. Ich hab’s von den Spaniern gehört, etwa zeitgleich mit den Jordaniern. Nur deshalb haben wir Amary noch rausholen können. Wir hatten einen kleinen Vorsprung.«
    »Scheiße. Wissen Sie was, Ed? Sie haben völlig recht. Das hätten Sie mir sagen sollen. Warum haben Sie das nicht gemacht?« Ferris war außer sich vor Wut. Er hatte geglaubt, es könnte nicht mehr schlimmer werden, und jetzt war es doch schlimmer geworden.
    »Weil Sie es den Jordaniern erzählt hätten. Und da ist ja auch nichts Falsches dran, hätte ich an Ihrer Stelle genauso gemacht. Aber ich konnte das nicht riskieren. Jetzt schmollen Sie nicht. Ich hab mich doch gerade entschuldigt.«
    »Genaugenommen, Ed, haben Sie gesagt, Entschuldigen wäre Quatsch. Aber ist ja auch egal.«
    »Was heißt hier egal? Nichts ist egal.«
    »Hani will nicht mehr mit mir reden. Ich dachte schon, er bringt mich um, als er herausgefunden hat, was wir ihm angetan haben. Er war fuchsteufelswild. Für den bin ich gestorben.«
    »Da wäre ich mir mal nicht so sicher. Er mag Sie.

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