Der Mann, der niemals lebte
Und Sie sind immer noch viel besser als der Nächste, den wir ihm schicken würden. Gut möglich, dass er sich wieder beruhigt. Und nur fürs Protokoll: Ich bitte vielmals um Entschuldigung.« Hoffman legte sein müdes, abgespanntes Gesicht in Falten und machte einen Kussmund. Dann zeigte er Ferris den Stinkefinger.
Ferris konnte nicht anders, er musste lachen. Es war auf bizarre Weise tröstlich, dass Hoffman sich angesichts einer solchen Katastrophe immer noch aufführte wie ein Halbstarker. Ferris beschloss, ihm nicht böse zu sein.
»Sie glauben also, die lassen mich wieder zurück nach Jordanien?« Zurück zu Alice, an den Ort, wo er hingehörte.
»Unmöglich ist das nicht. Abwarten und Tee trinken.«
»Wir müssen es schaffen, diesen Konflikt wieder beizulegen, Ed. Hani ist die Mühe wirklich wert. Ich weiß, Sie brauchen meine Meinung dazu nicht, aber ich habe gesehen, wie er Karamis Mörder zum Reden gebracht hat. Das war eine echte Meisterleistung. Der Junge hat nicht nur den Mord gestanden, sondern auch erzählt, wie sie Amary auf die Schliche gekommen sind … und das alles, ohne dass Hani ihn auch nur angerührt hätte. Der Mann ist richtig gut.«
»Ja, ja, schon klar. Hani ist ein Superstar, und wir haben ihn verarscht, et cetera pp. Tut mir wirklich leid, dass Sie da draußen seinen Zorn abgekriegt haben. Das war sicher kein Spaß. Mich hat er übrigens auch angerufen und zusammengeschissen, falls Sie das beruhigt. Ich habe ihm gesagt, er soll sich wieder einkriegen. So was passiert im Krieg nun mal. Kollateralschäden. Das muss man wegstecken.«
»Und, hat er sich wieder eingekriegt?«
»Eher nicht. Aber immerhin hat er den Mund gehalten. Ich habe ihn gebeten, Sie wieder aufzunehmen, aber er schien mir irgendwie abwesend zu sein. Lange Gesprächspausen … wirklich eigenartig. Aber er wird sich schon wieder beruhigen. Er ist ein Profi.«
Ferris sah seinen Vorgesetzten an und überlegte, ob er noch mehr sagen sollte. »Um ehrlich zu sein, ist es gerade das, was mir Schwierigkeiten macht. Hani ist tatsächlich ein Profi. Er hat sehr hart für diese Operation gearbeitet, hat alles geplant und den Jungen persönlich rekrutiert. Und zwischen ihm und mir entstand gerade so etwas wie Vertrauen. Wenn ich eines über die Araber gelernt habe, dann das: Es geht entweder ganz oder gar nicht. Vollkommenes Vertrauen oder überhaupt keines. Hanis Vertrauen haben wir jetzt verloren. Und damit … stehen wir mit leeren Händen da.« Er sprach nicht weiter.
Hoffman stützte das mitgenommene Gesicht in die Hände und rieb sich die müden Augen. Als er schließlich antwortete, klang eine gewisse Gereiztheit in seiner Stimme mit. »Also schön. Wir haben den Mann gelinkt. Es diente zwar einer guten Sache, aber ich an Hanis Stelle wäre natürlich auch stinksauer. Und an Ihrer Stelle auch, keine Frage. Sie hatten Bedenken, ich bin darüber hinweggegangen. Ich habe mich entschuldigt, damit ist das ja wohl geklärt. Okay?«
Der Abteilungsleiter erhob sich langsam. Einen Augenblick lang verharrte sein massiger Körper über dem Schreibtischstuhl, dann schlug er in einem plötzlichen Anfall von Frustration mit der Faust auf den Tisch.
»Ich bin nun mal nicht Hani, verdammt noch mal! Und ich bin auch nicht Sie. Ich bin ich, und ich habe eine Aufgabe zu erfüllen. Ich lasse mich ganz sicher nicht durch irgendwelche Schuldgefühle dazu bringen, Blödsinn zu machen. Herrgott, wir sind im Krieg! Während wir hier rumtrödeln, jagen diese Scheißkerle eine Bombe nach der anderen hoch. Wir haben hier Dinge am Laufen, von denen Sie keinen blassen Schimmer haben. Und soll ich Ihnen was sagen? Die funktionieren auch nicht. Heute beim Briefing hat der Präsident den Direktor gefragt, ob die CIA eigentlich geschlossen in den Vorruhestand gegangen ist. Meine Güte …« Hoffman schüttelte den Kopf. »Diese Fanatiker wollen uns alle umbringen, und uns gehen langsam die Ideen aus, womit wir sie aufhalten könnten. Ich habe bestimmt genauso lange gebraucht, um die Amary-Kiste vorzubereiten wie Hani für seinen kleinen Berliner Einsatz, und jetzt ist das alles beim Teufel. Wenn’s Ihnen nichts ausmacht, würde ich mir also lieber darüber den Kopf zerbrechen als über die gekränkte Seele Ihres Kumpels in Jordanien.
Schweigen senkte sich über den Raum. Ferris wartete auf einen weiteren Ausbruch von Hoffman, doch der saß nur missmutig und verschlossen da. Der Boss verlor die Nerven. Alle verloren sie die Nerven. Hoffman hatte
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