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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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Hollis’ Hecheln und vom Pfeifen eines Vogels.
    Tom blickte sie geradeheraus an. »Könntest du denn?«
    Sie blieb stumm, zuckte nur hilflos mit den Schultern und sah so elend aus, wie Tom sie noch nie gesehen hatte. Er konnte nichts dagegen tun. Wie von selbst lösten sich seine ineinander verschränkten Finger. Er nahm sie in die Arme und küsste sie. Und sie erwiderte den Kuss. Fast wütend, wie es ihm schien, fasste sie in seine Haare und presste ihn an sich. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, als stünde er nicht im Wald unterhalb des Lovers’ Leap, sondern wieder in der regengepeitschten Scheune vor den Toren der Stadt, wie vor unendlich langer Zeit.
    Wie weich ihre Lippen waren! Sie schmiegte sich an ihn, und alle Schmerzen waren plötzlich vergessen, und er fühlte sich zu Hause.
    Nach einer kleinen Ewigkeit lösten sie sich voneinander. Eine Träne lief ihr über die Wange. »Das kann nicht so weitergehen«, sagte sie. »Es bringt mich um.« Sie rannte los, und schon nach wenigen Schritten hatte das Grün auf dem Lovers’ Leap sie komplett verschlungen.
    ~~~
    Nichts passte.
    Enttäuscht steckte Tom den aufgequollenen, immer noch feuchten Pflanzenstängel wieder in seine Tasche und stemmte die Fäuste in die Hüften.
    Einfach gar nichts passte.
    Er hatte den Stängel aus der Schachtel, die er hinter dem Schrank gefunden hatte, mit jeder einzelnen Pflanze in Pollys Gärtchen verglichen. Aber es gab dort kein Gewächs, das auch nur eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Stängel gehabt hätte.
    Auch sonst passte nichts.
    Tom fühlte sich leer und ratlos. War es gut, dass Becky ihn geküsst hatte, ohne ihm eine Ohrfeige zu geben? War es schlecht, weil sie geweint und gesagt hatte, es bringe sie um, und dann weggelaufen war? War es grausam und dumm, seinen eigenen Bruder zu hintergehen? Oder folgte er nur seinem Gefühl, und es war eben, wie es war?
    Tom seufzte. Er sah sich auf der kleinen Parzelle um, die Polly bepflanzt hatte.
    Hollis schnüffelte aufgeregt zwischen Karotten, Löwenzahn, Zwiebeln und Kohl herum und suchte nach dem Maulwurf, dessen Hügel in den Beeten aufragten wie kleine Vulkane. Zwischen dem Gemüse und den Kräutern wucherte bereits das Unkraut. Niemand hatte sich um Tante Pollys Garten gekümmert.
    Ein aus Haselzweigen geflochtener Zaun grenzte das Grundstück von den benachbarten Gärten ab. Ein schwerhöriger alter Mann mit fliehendem Kinn und mit ungepflegtem Backenbart, der in einer benachbarten Parzelle Steckrüben erntete, hatte ihm gezeigt, wo Pollys Gärtchen lag, während er einen Sack Gemüse auf sein Muli lud.
    Seit der Alte den kurzen Weg zurück in die Stadt eingeschlagen hatte, war Tom allein auf der etwa ein Hektar großen Gartenkolonie unterhalb des Cardiff Hill am Mississippi-Ufer. Bürger, deren Garten in der dicht besiedelten Stadt zu klein war, bauten hier Gemüse und Obst an, um den Geldbeutel zu schonen und ihren Speiseplan zu erweitern.
    Unschlüssig zupfte Tom an ein paar Kräutern herum. Er kannte Petersilie, Rosmarin, Dill und Thymian, wusste, wie sie rochen und wie sie aussahen. Aber diese Kräuter hatte Polly in ihrem Garten nicht angebaut. Pollys Kräuter sahen anders aus. Dobbins hatte von Schierling gesprochen, als er sich den Stängel angesehen hatte. Von Gift. Auch wenn er keine Pflanze gefunden hatte, die zu dem Stängel passte, wollte Tom dennoch wissen, ob es giftige Kräuter waren, die Polly hier angebaut hatte.
    Warum auch immer.
    Nachdem er einige Blätter abgezupft und in seine Jackentasche gesteckt hatte, stützte er sich mit den Ellenbogen auf
den Zaun und überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Er musste nach Huck sehen und ihn fragen, warum er noch mal mit Sally Austin sprechen sollte. Er musste mit Sid wegen Hattie sprechen, und er musste Cooper fragen, ob der etwas Neues über seine Schwester erfahren hatte. Und er musste den verdammten Schlüsseltext finden, mit dem sich der Code aus Pollys Seifenschachtel knacken ließ. Mit den Verwandten der anderen verschwundenen Frauen musste er ebenfalls sprechen.
    Wo steckte Dale, und würde er von dem etwas über Jebs letzte Stunden erfahren? Oder lag Dale ebenfalls irgendwo in einem Gebüsch?
    Scheiße.
    Wütend trat Tom gegen einen Zaunpfahl. Er brauchte unbedingt eine konkrete Spur, etwas, das ihm aus diesem Knäuel von Hinweisen und Fragen heraushalf.
    Im Grunde war er keinen Schritt weiter als an dem Tag, an dem er nach St. Petersburg gekommen war.
    Irgendwo, nicht weit den Fluss

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