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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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Company«, stand in wunderbar geschwungenen Lettern über dem Bild einer dampfenden Lokomotive. Sid besaß Anteilsscheine im Wert von dreitausend Dollar an der Bahngesellschaft, die den Bau der Brücke über den Mississippi plante. Tom suchte nach dem anderen Papier, dem Anteilsschein am Landkauf in Illinois. Das Grundstück lag auf der Markung von Kinderhook, Pike County. Das war nur einen Katzensprung entfernt. Auf der anderen Seite des Flusses.
    Am Ufer, genauer gesagt.
    Der Mann im Ruderboot.
    Tom überflog die Kaufurkunde. Zwei andere Anteilseigner des Grundstückskaufs am Illinois-Ufer standen auf dem Dokument: Malcom Thatcher, Friedensrichter in Marion County. Und Joseph Harper, Sheriff in St. Petersburg.
    Er sollte sich nicht dafür interessieren. Er könnte uns Zeit und jede Menge Geld kosten. Rede mit unserem Mann.
    Unser Mann. Der Mann im Ruderboot?
    In Toms Kopf drehte sich alles. Sid, Harper und Thatcher hatten das Grundstück am anderen Ufer gekauft, wo der Brückenpfeiler auf der Illinois-Seite entstehen sollte. Sid hatte zudem viel Geld in die Eisenbahngesellschaft gesteckt, die die Brücke bauen wollte. Tom verstand kaum etwas von Finanzen, aber er wusste, wenn die Brücke gebaut werden würde, würden die Aktien im Wert steigen. Und Sid, Thatcher und Harper würden auch beim Verkauf der Grundstücke, auf denen die Brücke entstehen sollte, groß abkassieren.
    Wenn ihnen nicht jemand dazwischenfunkte.
    Wenn sich nicht vielleicht eine alte Frau weigerte, ihr Grundstück zu verkaufen. War es das? Hatten sie Polly aus dem Weg geräumt, weil sie ihr Gärtchen nicht verkaufen wollte? Hatte Sid Polly auf dem Gewissen? Oder hatten sie Huck dafür bezahlt? Oder Jeb und Dale? Tom spürte einen Schmerz in der Magengrube. Sein Halbbruder, der Mörder ihrer Tante?
    Aber was hatte das mit Hattie Cooper zu tun? Und mit den anderen verschwundenen Frauen? Hatte es überhaupt etwas damit zu tun? Tom hörte Schritte auf der Veranda. Hollis bellte. Sid kam von der Arbeit zurück.
    Hastig stopfte Tom die Unterlagen wieder in die Schublade, überlegte es sich dann anders und nahm den Kaufvertrag für das Gartengrundstück an sich, faltete ihn zusammen und steckte ihn in seine Jackentasche. Dann löschte er das Licht und ging nach unten.
    Hollis bellte jemanden an, der vor der Tür zur Veranda stand, als würde er sich nicht hineintrauen. Noch auf der Treppe sagte Tom: »Gut, dass du da bist, Sid. Wir müssen reden. Hollis, halt die Klappe!«
    Er zog die Tür auf und hob überrascht die Brauen. Es war nicht Sid, der vor ihm stand.
    Es war Jim.
    Tom beugte sich zu Hollis hinunter und strich ihm beruhigend über das Fell. »Hör endlich auf zu bellen, Hollis! Das ist nur Jim. Was gibt’s, Jim?«
    Jim hielt seinen Strohhut vor der Brust, als würde ihn das vor Hollis’ Gebell schützen, und blickte eingeschüchtert von dem Hund zu Tom. »Ich weiß, wo er is’, Master Tom. Ich hab ’n gefunden.«
    ~~~
    Mr Pettibone, einer der örtlichen Holzbarone, hatte den Standort seines Sägewerks klug gewählt.
    Sie lag eine Meile westlich der Stadt, nicht weit von den Wäldern, die Pettibone abholzen ließ, und gleich bei der Bahnlinie, die die Pinienstämme, die Pettibone zukaufte und in riesigen Flößen von Wisconsin den Mississippi abwärts verschiffte, zur Mühle brachte.
    Der Bear Creek, der mitten durch das Gelände floss, trieb noch immer eine der Sägen an, doch die hohen Schornsteine, viel höher als das Dach der Sägemühle mit dem Turm in der Mitte, an dem die große Uhr angebracht war, kündeten von den zahlreichen dampfbetriebenen Gattersägen, die dort inzwischen gute Dienste leisteten.
    Und noch aus einem weiteren Grund war der Standort der Mühle klug gewählt.
    Sie lag in Sichtweite der Hütten und Baracken, der Siedlung mit Josephs Kneipe, in denen die schwarzen Arbeiter des Sägewerks wohnten.
    Die letzten Arbeiter verließen gerade die Mühle und trotteten mit hängenden Schultern, ermattet von einem langen Tag, den kleinen Hügel zu der Siedlung hinauf, wo Tom vor einigen Tagen Dr. Cooper bei einer Entbindung gestört hatte. Und wo er ihn vor wenigen Minuten auch angetroffen hatte, bevor er weiter zum Sägewerk ging.
    Die Luft in Toms Versteck roch nach frisch gesägtem Holz. Tom kauerte hinter einem Felsen, von dem aus er das gesamte Sägewerk von W. B. Pettibone überblicken konnte, selbst aber unentdeckt bleiben würde. Riesige Stapel von gesägten Brettern türmten sich haushoch auf dem Gelände.

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