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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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kratzte über die Seite aus der Gesundheitszeitschrift. Neben eine Anzeige für einen Apparat zur Darmspülung und einen Artikel über Haferflocken schrieb er die Zeilen mit den entschlüsselten Buchstaben. Wenige Minuten später hielt er den Klartext in Händen.
    Tom pfiff leise durch die Zähne. »Sieh mal einer an, Hollis.«
    1865
    SALLY AUSTIN 19,00
    ADAH TEMPLE 25,00
    PAULA HOYNES 22,00
    SYBIL OLLENDORFF 25,00
    Hollis war gänzlich unbeeindruckt und hatte sich unter dem Tisch zu Toms Füßen zusammengerollt und schlief.
    Tom war sich sicher, dass es sich um eine Rechnung handelte. Das würde auch das Geld in der Seifenkiste erklären. Drei Frauen hatten Tante Polly in diesem Jahr Geld gegeben, ihre Schulden waren getilgt, wie es aussah. Sally Austin hatte nicht bezahlt. Aber wofür hatte sie nicht bezahlt?
    Er hörte Beckys Stimme in seinem Kopf, das, was sie bei dem ersten Gespräch in ihrer Redaktion über den Vorfall beim Gemeindefest gesagt hatte. Huck hat behauptet, Sally würde ihm Geld schulden, und darüber sei es zum Streit gekommen.
    Sie schuldete ihm Geld? Oder schuldete sie Polly Geld? Wofür hatten die Frauen bezahlt? Was hatte Polly ihnen verkauft? Und vor allem: Warum wurde diese Rechnung verschlüsselt? Welche Ware musste man geheim halten? Wohl kaum die Decken, die Polly nähte, und die waren auch keine 25 Dollar wert. Und wer waren die anderen Frauen?
    Tom wusste, wer Adah Temple war, Dobbins hatte von ihr gesprochen, wegen der Erbschaftsangelegenheit, bei der er ihr behilflich gewesen war. Tom kannte sie von früher. Mrs Temple war eine attraktive junge Frau gewesen; inzwischen musste sie Anfang vierzig sein. Sie besaß die Pension in der North Street, bei der Crittenden untergekommen war. Ein respektables Haus, nicht ganz billige Zimmer, weswegen Tom sich für »Harold’s Happy Tavern« entschieden hatte, als er nach St. Petersburg gekommen war. Ihr Mann verkaufte Pflüge im ganzen Staat und war die meiste Zeit des Jahres nicht zu Hause. Tom würde ihr einen Besuch abstatten müssen.
    Den Namen Paula Hoynes hatte er schon einmal irgendwo gehört, aber der Name Sybil Ollendorff sagte ihm gar nichts. Er würde fragen müssen. Er würde die Frauen fragen, was sie seiner Tante abgekauft hatten. Einen Moment lang durchzuckte Tom der Gedanke, ob Polly wohl mit Morphium gehandelt haben könnte. Im Krieg waren zahllose Soldaten morphiumsüchtig geworden. Aber Frauen? Ein Schulmädchen und eine ehrbare Pensionsbesitzerin? Oder kauften sie das Gift für irgendwelche Männer? Oder hatte Polly sie erpresst?
    Tom verwarf den Gedanken, aber er würde das Haus seiner Tante noch einmal von oben bis unten durchsuchen müssen. Und zwar sofort. Danach würde er mit Sally Austin sprechen. Und er würde mit Sids Zimmer anfangen, solange sein Halbbruder noch bei der Arbeit war. Es war der einzige Raum, den er bei seiner ersten Durchsuchung nicht betreten hatte.
    Tom beugte sich zu Hollis und kraulte ihm den Nacken. »Aufwachen, Kumpel!«
    Träge hob Hollis ein Lid und fuhr sich mit der Zunge über die Schnauze.
    Tom deutete auf die Tür. »Wenn Siddy reinkommt, bellst du, verstanden?«
    Hollis gähnte herzhaft und legte dann den Kopf wieder auf die Vorderpfoten. Tom seufzte und stieg entschlossen die Treppe hinauf. Sein Tag hatte irgendwann im Morgengrauen im Lager von Shipshewano begonnen, dennoch verspürte er keine Müdigkeit. Das linke Knie tat immer noch weh, aber er fühlte sich langsam besser, weil die Schmerzen in der Seite und an der Stirn, wo die Beule war, nachgelassen hatten. Draußen dämmerte es schon, als Tom über die abgewetzten Läufer in dem kurzen Flur zu Sids Kammer ging.
    Er öffnete die Tür zu dem Zimmer, das er als Kind mit Sid geteilt hatte, fand Streichhölzer auf dem Tisch, riss eines an und entzündete die Lampe, die auf einem schmalen Brett über dem Bett stand. Langsam glühte der Docht hoch, und das Zimmer wurde in ein flackerndes Orange getaucht. Ein Bett, eine Kommode, ein kleiner Tisch mit einem Stuhl davor. Das war alles.
    Tom kniete sich hin und schaute unter das Bett.
    Ein Koffer.
    Er zog ihn hervor, öffnete ihn, doch der Koffer war leer. Tom zog das Bett von der Wand weg, wippte mit dem Fuß auf jeder einzelnen Diele, um zu sehen, ob eine locker war, dann klopfte er die Wände ab, um nach Hohlräumen zu suchen.
    Keine lockeren Dielen, keine Hohlräume. Er öffnete die Schreibtischschublade, darin lagen eine Bibel, Schreibzeug, eine Flasche Oriental Hair Tonic, das Sid

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