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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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Tom nickte und schob sich vorsichtig auf die Eingangstür zu.
    Plötzlich war da eine Bewegung auf der Veranda. Blitzartig hob Tom den Colt.
    Es war ein Hund. Ein brauner Straßenköter mit einem weißen Ring um ein Auge. Er winselte, sah Tom kurz an, dann schnupperte er und verschwand wieder in der Hütte.
    Toms Herz schlug heftig. Er atmete tief ein und ging weiter, war jetzt keine fünf Schritte mehr von der Tür entfernt. Shipshewano verschwand um eine Ecke der Hütte.
    Tom stützte die Hand, in der er den Colt hielt, mit der anderen Hand. Er betrat die schmale Veranda, und das Holz knarrte unter seinen Stiefeln.
    Kein Lüftchen regte sich. Der Gestank nahm ihm fast den Atem, schien ihm in jede Pore zu kriechen. Käfer krabbelten zwischen seinen Füßen herum und krochen in die Hütte.
    Er beugte sich kurz vor, um an der schief in den Angeln hängenden Tür vorbei ins düstere Innere der Hütte zu spähen, doch er konnte nichts erkennen. Nichts, außer einer dunklen Lache auf dem Boden. Toms Nackenhaare stellten sich auf.
    Dieser Mann darf nicht entkommen.
    Oh nein, Sir. Das wird er nicht.
    Er stieß die Tür mit dem Fuß auf, machte einen Schritt in die Hütte und schwenkte den Colt einmal quer durch den Raum. Die Hunde jaulten auf und sprangen durcheinander. Toms Augen gewöhnten sich allmählich an das Zwielicht. Der beißende Geruch verschlug ihm den Atem. Der ganze Raum war voller Tiere.
    Hunde.
    Lebende Hunde.
    Tote Hunde.
    Und zwischen ihnen ein toter Mann auf dem Boden.
    ~~~
    »Joe!« Tom machte einen Satz nach vorn und verscheuchte damit die beiden Köter, die an Joes Jacke zerrten.
    Shipshewanos Gesicht blitzte am Fenster auf, als Tom sich über den leblosen Mann beugte, und verschwand rasch wieder.
    Joe lag auf dem Bauch, Blut sickerte unter seinem Körper hervor. Um ihn herum, wie wahllos verstreut, die toten Hunde. Manche aufgeschlitzt. Ausgeweidet. War Hollis darunter? Es schnürte Tom die Kehle zu. Er stieß Joe mit dem Colt an. »Joe! Joe!«
    Der Sheriff antwortete nicht. Das Blut pochte Tom in den Schläfen. War Joes Mörder noch in der Hütte? War er noch hier? Zitternd hob Tom den Colt, schwenkte ihn durch den Raum und machte über tote Hundekörper hinweg zwei Schritte auf die Treppe zu, die nach oben führte. Ein struppiger weißer Hund bellte ihn an. Die Bretter waren teilweise herausgebrochen, und Staub und Hundekot lagen auf den Stufen. Keine Fußabdrücke, niemand war die Stufen hinaufgegangen. Nur er und Joe und ein halbes Dutzend Hunde waren in der Hütte.
    Scheiße. Scheiße. Scheiße.
    Er kniete sich neben Joe hin, griff unter den schweren Körper und drehte ihn auf den Rücken. Er zuckte zurück.
    Joes Gesicht war zertrümmert. Ein Brei aus Blut, zerfetzter Haut und Zähnen. Ein gähnendes Loch, genau wie bei Jeb. Wo Joe gelegen hatte, lag ein blutverschmierter Hammer auf dem Boden.
    Die Galle schoss Tom in den Rachen, als Shipshewano hereinkam und zu ihm trat.
    »Niemand draußen. Wir allein.« Als er Joe sah, verzog der Indianer angewidert das Gesicht.
    Tom ließ sich auf den Hintern fallen und wandte sich ab. Er biss sich auf die Zunge, um etwas anderes zu spüren als Wut und Zorn und Trauer. Die Hunde bellten wie von Sinnen. Auf dem Boden waren blutige Fußabdrücke zu sehen. Viele Abdrücke. Spuren eines Kampfes.
    Das Blut schoss Tom in die Wangen. »Scheiße. Scheiße, Häuptling! Er war es nicht! Joe hat ihn gefunden, aber er war es nicht! Dieser Dreckskerl hat ihm das Gesicht zerschmettert!« Seine Augen wurden feucht. Tränen der Wut und der Scham darüber, dass er einen Freund verdächtigt hatte. Und der wahre Täter lief immer noch irgendwo da draußen herum.
    Shipshewano schob die Hunde zur Seite, die sich winselnd und drängelnd um etwas balgten, was auf dem Boden lag. Es war eine Whiskeyflasche, fast leer, bis auf einen kleinen Rest. Eine gelblich schimmernde Flüssigkeit hatte sich um die Flasche herum auf dem Boden verteilt. Shipshewano kniete sich hin, tauchte den Finger hinein und roch daran. Er zuckte zurück. »Pisse von Hundefrau. Macht Hunde verrückt.«
    Tom schüttelte den Kopf. Was war das hier? Was war hier passiert? Plötzlich bewegte sich die Tür eines alten morschen Wandschranks in der Ecke des Raumes. Tom ließ sich auf den Rücken fallen, riss den Colt hoch. Aus den Augenwinkeln sah er, wie auch Shipshewano sein Gewehr zückte. Die Schranktür öffnete sich einen Spaltbreit, und eine weiß-braun gesprenkelte Schnauze lugte hervor, und eine Zunge fuhr

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