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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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darüber.
    »Hollis! Herr im Himmel!«
    Der kleine Hund zwängte sich durch den Spalt, sprang aus dem Schrank und lief schwanzwedelnd zu Tom. Er hechelte, winselte und leckte Tom das Gesicht, und eine Welle der Erleichterung überkam Tom. »Guter Junge. Ja. Hast dich versteckt. Guter Junge.«
    Da packte ihn eine Hand.
    Tom schreckte zusammen. Hollis sprang von ihm weg. Joe Harper hatte sich bewegt! Seine Hände in den blutverschmierten weißen Handschuhen hielten Toms Bein umklammert, und ein ersticktes Stöhnen kam aus dem blutigen, ausgefransten Loch, das einmal Joes Mund gewesen war.
    »Joe! Er lebt! Scheiße, er lebt!« Tom blickte zu Shipshewano, dann an diesem vorbei zur Tür der Hütte, wo plötzlich Becky aufgetaucht war.
    Sie war kreidebleich, ihr Gesicht eine Mischung aus Entsetzen und Ekel. »Joe?«, hauchte sie.
    Joes Griff um Toms Bein erlahmte. Das Stöhnen wurde zu einem Röcheln und erstarb.
    Becky taumelte und hielt sich am Türrahmen fest. Tom hob die Hände. »Becky, du solltest –« Er brach ab, wollte sich aufrichten, um ihr den Blick auf Joe zu versperren, doch sie stürmte bereits an ihm vorbei und sank neben Joe auf die Knie. Sie biss sich auf die Lippen, dann fühlte sie Joes Puls und nahm den Ärmel ihres Kleides, um ihm das Blut aus dem Gesicht zu wischen. »Er lebt noch! Vielleicht kommt er durch!«
    Tom sprang auf. »Wir müssen ihn zu einem Arzt bringen!«
    Der Häuptling schüttelte den Kopf. »Joe Harper dann sterben. Er gehen besser nicht auf Pferd.«
    Gehetzt blickte Becky vom Häuptling zu Tom. »Er hat recht, Tom! Das überlebt Joe nicht. Ich hole diesen Cooper her.« Sie richtete sich auf.
    Tom beachtete sie nicht. Er zupfte etwas von Joes blutbefleckten weißen Handschuhen. Es war ein Haar. Ein langes blondes Haar.
    »Was ist das? Was hast du da, Tom?«
    »Das sind seine Haare. Sie haben gekämpft. Joe hat sie ihm ausgerissen. Es sind die Haare dieser Bestie!«
    Verzweifelt sah sie ihn an. »Tom! Wir müssen uns beeilen! Joe wird sterben, wenn wir nicht bald einen Doktor holen. Ich reite zu Cooper; wartet ihr hier?«
    Tom schüttelte den Kopf. »Nein, nicht Cooper. Die Siedlung beim Sägewerk ist zu weit weg, und wir wissen nicht, ob er überhaupt da ist. Bis du ihn findest, ist Joe verblutet. Hol Dobbins! Der ist in seiner Schule.«
    Becky nickte, dann sah sie, dass Tom die Augen weit aufriss. Instinktiv wandte sie den Kopf und blickte über die Schulter, doch da war nichts. Tom starrte fassungslos ins Leere.
    »Tom? Tom, was ist?«
    Tom beugte sich über Joe und nahm dessen Hand. Wie versteinert glotzte er auf Joes blutverschmierte weiße Handschuhe. Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Ich verdammter Narr. Ich gottverdammter Narr!«
    Verwirrt schüttelte Becky den Kopf. Sie wollte gerade etwas erwidern, als sie das Schnauben eines Pferdes hörte. Sie wandte sich um und starrte hinaus. Bei Joes Pferd stand ein weiteres Pferd. Und daneben ein Mann. Breitschultrig, mit Schnauzbart und Schlapphut. Und mit langen blonden Haaren. Einer von den Kerlen, die hinter Tom und Huck her waren. Der, mit dem Becky am Waldweg gesprochen hatte. Er trug ein Gewehr.
    »Ma’am? Was machen Sie da?«
    Tom warf Shipshewano einen beunruhigten Blick zu, und beide griffen nach ihrer Waffe. War der Kerl allein, oder hatte er seine Kumpane mitgebracht?
    »Versteck dich!«, wisperte Becky Tom zu und trat aus der Tür auf den Kopfgeldjäger zu. Doch Tom regte sich nicht. Er blieb nur wie erstarrt in dem düsteren Raum stehen, und Shipshewano tat es ihm gleich. Der Mann konnte sie im Dunkeln ohnehin unmöglich ausmachen.
    Becky ging über die Veranda und trat vor den Kerl hin, sodass sie ihm den Blick auf die Hütte versperrte. »Ich habe Schreie gehört und dann einen Verletzten gefunden«, sagte sie mit brüchiger Stimme und griff nach seiner Hand, als würde sie eine Stütze brauchen. »Er … er ist halb tot, und Sie müssen mir helfen! Wir müssen sofort einen Arzt holen! Bitte kommen Sie!«
    Sie wollte ihn von der Hütte wegziehen, doch er machte sich los, stand etwas unschlüssig herum. Becky ließ seine Hand nicht los. »Bitte! Es ist wirklich eilig! Er wird sterben, wenn wir nicht sofort einen Arzt holen!«
    Der Mann blinzelte, dann sagte er: »Vielleicht ist es einer von den Galgenvögeln. Ich seh mir das erst an.« Er stapfte auf die Hütte zu. Tom machte einen Schritt und stellte sich mit dem Rücken zur Wand neben die Eingangstür. Er packte seinen Revolver am Lauf und hob

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