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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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er häufiger die Kutsche und die Eisenbahn benutzt, und wenn er einmal auf einem Pferd durch die Stadt ritt, dann nicht in gestrecktem Galopp. Sein Hintern schmerzte schon, morgen würde es sicher die Hölle sein.
    Auch Beckys Wangen glühten rot. Aber mehr vor Freude denn vor Anstrengung, glaubte Tom, dem Leuchten in ihren Augen nach zu schließen, wenn sie dem Pferd die Sporen gab. Als Becky den Zeitungsartikel entdeckt hatte, konnte Tom in ihrem Blick den erwachenden Jagdinstinkt erkennen, und sein halbherziger Versuch, sie davon abzubringen, dass sie mitkommen wollte, war kläglich gescheitert.
    »Ich muss das wissen«, hatte sie gesagt. »Ich will von Anfang an dabei sein, das könnte eine Riesengeschichte für den Chronicle werden!«
    Tom hatte geseufzt und genickt, als sie anbot, die Pferde zu beschaffen. Toms Rotschimmel stammte aus dem Stall ihres Vaters, Becky hatte die Pferde gesattelt, während Tom rasch zum Büro des Sheriffs gelaufen war. Er hatte sich nochmals den Schlüssel zum Gefängnis besorgt, um nach Huck zu sehen.
    Joe Harper war nicht da, er suchte wohl noch immer nach verschwundenen Hunden und Flößen oder hielt Wahlreden. Jim Hollis und Billy Fisher saßen vor einem Tonkrug mit Whiskey, waren offensichtlich angetrunken und spielten Draw Poker, als Tom das Büro des Sheriffs betrat.
    Hollis war aufgestanden und hatte vor Tom auf den mit Sägespänen bedeckten Boden gespuckt und bemerkt, er müsse den Krug im »Jolly County«, einem Saloon an der Ecke Main und 5 th Street auffüllen gehen. Als Tom Billy fragte, ob er den Schlüssel dieses Mal einfach so haben könnte, gegen einen Dollar Bezahlung, versteht sich, war Billy Fisher unerwartet freundlich geworden.
    Er fragte, ob es wahr sei, dass Tom für den Posten des Sheriffs kandidieren wolle, und empfahl sich als diensteifrigen Hilfssheriff, falls Tom noch nicht wisse, wer dieses Amt bekleiden solle. Falls er gewinnen würde.
    Tom versprach Billy, es sich zu merken, und war mit dem Schlüssel zum Gefängnis gerannt.
    Huck sah noch immer mehr tot als lebendig aus. Er war nicht ansprechbar, der Schweiß lief ihm über die Stirn, sein Gesicht war ausgezehrt, und unter der Decke wirkte er mager und klein. Aber Tom glaubte, seine Wangen seien nicht mehr so bleich wie am Vortag, vielleicht war auch das Fieber gesunken. Hoffentlich war es gesunken.
    Tom flößte ihm etwas Wasser ein, vermischt mit einer zerdrückten Brotscheibe, und achtete darauf, dass Huck den Brei langsam schluckte. Er wischte ihm mit dem Ärmelaufschlag über die Stirn, murmelte: »Halt durch, Huck«, und ließ seinen Freund dann im Zwielicht der Zelle zurück.
    Er hatte Hollis, dem Hund, ein paar Knochen aus Timothys Küche in »Harold’s Happy Tavern« besorgt und ihn dann im Stall der Thatchers angebunden. Dann waren sie losgeritten.
    Während des Ritts, vorbei an zahlreichen niedergebrannten Scheunen, die als traurige Überbleibsel des Bürgerkriegs den Weg säumten, hatten er und Becky kaum gesprochen. Auch jetzt schwiegen sie.
    Das Haselgestrüpp wurde dichter, und die Pferde fielen in einen langsamen Trab nebeneinander. Tom warf einen verstohlenen Seitenblick zu Becky hinüber. Das Pferd ließ ihr Becken auf und nieder wippen, und ihr Busen wippte mit unter dem hübschen Kleid aus hellem Kattun. Für einen Moment blitzte in Toms Gedanken ein Bild von ihr auf.
    Ohne das Kleid.
    Vor mehr als zehn Jahren.
    Sie lagen im Stroh in einer Scheune vor den Toren von St. Petersburg. Sanfter Nieselregen flüsterte auf den Dachschindeln. Sie küssten sich. Becky hatte ihr Kleid ausgezogen. Und Tom hatte ihr dabei geholfen. Sie war rot geworden und er auch. Seine Hand ruhte auf ihrer nackten Brust. Sie streichelte seinen Rücken, dann seinen Bauch, und dann waren ihre Finger langsam noch tiefer gewandert. Tom war so was von bereit gewesen, bereiter ging es gar nicht.
    Dann hatte es plötzlich angefangen, stärker zu regnen, und schließlich hörten sie Donner. Blitze zuckten, dicke Tropfen hämmerten auf das Schindeldach, und irgendwo in der Nähe wieherte ein Pferd. Erschrocken war Becky aufgefahren, vor Angst, jemand würde zur Scheune kommen und sie entdecken. Sie hatte sich hastig angezogen, war aus der Scheune geschlüpft, und Tom stand da und wusste nicht, was er mit sich anfangen sollte. Mit der Hose in den Kniekehlen. Und erregt. Wenig später hatten sie sich getrennt.
    Tom versuchte, den Blick von ihrem wippenden Körper abzuwenden, und ihm wurde klar, dass er in Keokuk das

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