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Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte

Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte

Titel: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Sacks
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zwar, daß irgend etwas verschwunden und ausgelöscht ist, aber an seine Stelle ist etwas anderes getreten und unglaublich verstärkt worden, so daß den Aphasikern, zumindest bei Äußerungen, die von Emotionen begleitet sind, die Bedeutung völlig klar ist, auch wenn sie kein einziges Wort verstanden haben. Dies erscheint unserer Spezies, dem Homo loquens, beinah als Verkehrung der herkömmlichen Ordnung - als Verkehrung oder auch als Rückkehr zu etwas, das primitiver und elementarer ist. Vielleicht hat Hughlings Jackson deshalb Aphasiker mit Hunden verglichen (ein Vergleich, über den beide gleichermaßen empört wären!). Dabei dachte er allerdings hauptsächlich an ihre linguistische Unfähigkeit und nicht an ihre bemerkenswerte, fast unfehlbare Sensibilität für «Tonfall» und Gefühl. Henry Head, der in dieser Hinsicht fein fühliger war, spricht in seiner Abhandlung über Aphasie (1926) von «Ton-Gefühl» und weist nachdrücklich daraufhin, daß dieses bei Aphasie-Patienten erhalten bleibe und oft verstärkt werde. [11]
    Daher habe ich manchmal - wie alle, die viel mit Aphasie Patienten arbeiten - das Gefühl, daß es unmöglich ist, einen solchen Menschen anzulügen. Er versteht die Worte nicht und kann also auch nicht durch sie getäuscht werden, aber das, was er versteht, versteht er mit unfehlbarer Präzision: den körperlichen Gesamtausdruck, der die Worte begleitet, jene totale, spontane, unwillkürliche Ausstrahlung, die niemals simuliert oder gefälscht werden kann, wie es bei Worten nur allzu leicht der Fall ist...
    Wir wissen, daß Hunde diese Fähigkeit besitzen, und machen sie uns zunutze, um Falschheit, gute oder böse Absichten zu erkennen, um festzustellen, wem wir trauen können, wer lautere Motive hat, mit wem wir uns verstehen, wenn wir, die wir durch Worte so leicht zu täuschen sind, unseren eigenen Instinkten nicht trauen können.
    Und Menschen, die an Aphasie leiden, sind hierzu ebenso imstande wie Hunde, und dies obendrein mit menschlicher Auffassungsgabe auf unvergleichlich höherem Niveau. «Man lügt wohl mit dem Mund», schreibt Nietzsche, «aber mit dem Maule, das man dabei macht, sagt man doch die Wahrheit. » Für einen solchen Gesichtsausdruck, für jede Falschheit der körperlichen Erscheinung und Haltung haben diese Menschen ein übernatürliches Gespür. Und wenn sie ihr Gegen über nicht sehen können- dies gilt besonders für blinde Aphasie-Patienten -, dann haben sie ein unfehlbares Gehör für jede stimmliche Nuance, für den Tonfall, den Rhythmus, die Hebungen und Senkungen, die Satzmelodie, für die subtilsten Modulationen, Tonveränderungen und Abweichungen von der normalen Aussprache, die dem Gesagten die Glaubwürdigkeit geben oder nehmen können.
    Darauf gründet sich also ihre Fähigkeit, etwas zu verstehen und zu erkennen, was wahr und was unwahr ist, ohne die Worte zu begreifen. Folglich waren es die Mimik, die schauspielerischen Übertreibungen, die aufgesetzten Gesten und vor allem der falsche Tonfall, die falsche Satzmelodie des Redners, die diesen sprachlosen, aber ungeheuer sensiblen Patienten heuchlerisch erschien. Auf solche (für sie) höchst offenkundigen, ja grotesken Widersinnigkeiten und Ungereimtheiten reagierten diese Patienten, die sich durch Worte nicht täuschen ließen, weil sie durch Worte nicht zu täuschen waren.
    Darum lachten sie über die Ansprache des Präsidenten.
    Wenn man einen Menschen, der an Aphasie leidet, auf Grund seiner besonderen Sensibilität für Ausdruck und «Ton» nicht anlügen kann, wie verhält es sich dann, so könnten wir fragen, mit Patienten, denen jeder Begriff von Ausdruck und «Ton» fehlt, während ihr Verständnis für Wörter unverändert erhalten bleibt - Patienten also, deren Krankheitsbild das genaue Gegenteil der Aphasie darstellt? Wir haben auf der Aphasie-Station auch einige solcher Patienten, obwohl sie eigentlich nicht an Aphasie, sondern an einer Agnosie, insbesondere der sogenannten «tonalen» Agnosie leiden. Diese Patienten nehmen typischerweise die Ausdrucksqualitäten von Stimmen - Tonfall, Timbre, Gefühl, den ganzen Charakter der Stimme - nicht mehr wahr, während sie Worte (und grammatikalische Konstruktionen) ohne Schwierigkeiten verstehen. Solche tonalen Agnosien (oder «Atonien») treten bei Störungen des rechten Schläfenlappens auf, während Aphasien eine Folge von Störungen des linken Schläfenlappens sind.
    Zu den Patienten mit tonaler Agnosie in unserer Aphasie Station, die der

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