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Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte

Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte

Titel: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Sacks
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sie. Diese Erscheinung wird auch von zahlreichen anderen Visionären beschrieben...»
     
     
    Hildegard selbst schreibt: «Die Gesichte, die ich schaue, empfange ich nicht in traumhaften Zuständen, nicht im Schlafe oder in Geistesgestörtheit, nicht mit den Augen des Körpers oder den Ohren des äußeren Menschen und nicht an abgelegenen Orten, sondern wachend, besonnen und mit klarem Geiste, mit den Augen und Ohren des inneren Menschen, an allgemein zugänglichen Orten, so wie Gott es will. »
    Eine dieser Visionen - fallende Sterne, die im Meer erlöschen (B) - deutet sie als Fall der Engel: «Doch plötzlich geht... aus dem Geheimnis des auf dem Throne Sitzenden ein großer Stern in lichtem Glanze und strahlender Schönheit hervor. Ihm folgten zahlreiche sprühende Funken... Mit all seinen Trabanten zieht der Stern zum Süden hin... Sofort erloschen sie und wurden schwarz wie Kohle... Sie stürzten in den Abgrund, und keinen von ihnen sahst du wieder. »
    Soweit Hildegards allegorische Interpretation. Unsere prosaische Interpretation würde lauten, daß Phosphene, gefolgt von einem negativen Skotom, ihr Gesichtsfeld durchzogen. Visionen mit Befestigungsanlagen sind in ihrem Zelus Dei (C) und Sedens Lucidus (D) abgebildet. Die Fertifikationsfiguren strahlen von einem hell leuchtenden und (im Original) schimmernden farbigen Punkt aus. Diese beiden Visionen sind in einer zusammengesetzten Vision (Abbildung S. 223) miteinander kombiniert, wobei sie die Befestigungsanlagen als Aedificium der Stadt Gottes deutet.
    Eine tiefe Verzückung begleitete die Wahrnehmung dieser Auren, vor allem wenn, was selten vorkam, auf das ursprüngliche Funkeln und Leuchten ein zweites Skotom folgte: «Das Licht, das ich sehe, steht nicht an einem festen Ort und ist doch heller als die Sonne. Auch kann ich seine Höhe, Länge und Breite nicht bestimmen, und ich nenne es (die Wolke des lebendigen Lichts›. Und wie Sonne, Mond und Sterne sich im Wasser spiegeln, so leuchten in ihm die Schriften und Worte, die Tugenden und Werke der Menschen vor mir auf... Zuweilen sehe ich in diesem Licht ein anderes Licht, das ich ‹das lebendige Licht selbst› nenne... Und wenn ich es betrachte, dann verschwindet alle Trauer, aller Schmerz aus meinem Gedächtnis, so daß ich nicht eine alte Frau, sondern gleich einem jungen Mädchen bin. »
    Weil diese Visionen von Ekstase von einer tief empfundenen göttlichen und geistigen Bedeutung erfüllt waren, trugen sie entscheidend dazu bei, daß Hildegard ihr Leben dem Gottes dienst und der Mystik widmete. Sie stellen ein einzigartiges Beispiel dafür dar, wie ein physiologischer Vorgang, der für die allermeisten anderen Menschen banal, unangenehm oder bedeutungslos wäre, bei einem Menschen, dessen Bewusstsein ihn von der breiten Masse abhebt, zur Grundlage höchst ekstatischer Inspirationen werden kann.
    Erst bei Dostojewski stößt man auf eine adäquate historische Parallele. Auch er sah bisweilen ekstatische epileptische Auren, denen er eine große Bedeutung beimaß: «Es gibt Augenblicke», sagt Kirillow in den Dämonen›, «sie dauern nur fünf, sechs Sekunden, da spürt man plötzlich die Gegenwart ewiger Harmonie und hat sie völlig erlangt... Und das Fürchterlichste dabei - es ist so erschreckend klar und so freudvoll. Währte es länger als fünf Sekunden, die Seele ertrüge es nicht und müßte vergehen. In diesen fünf Sekunden durchlebe ich ein Leben und würde dafür mein eigenes ganzes Leben hingeben, denn es lohnt... »

TEIL VIER
Die Welt der Einfältigen
Einleitung
    Als ich vor einigen Jahren mit Retardierten zu arbeiten begann, dachte ich, daß mich das bedrücken würde, und teilte Lurija meine Befürchtung in einem Brief mit. Zu meiner Überraschung widersprach er mir entschieden. Diese Patienten, schrieb er, seien ihm alles in allem mehr «ans Herz gewachsen» als alle anderen, und seine Jahre am Institut für Hirndefekte hätten zu den bewegendsten und interessantesten seiner ganzen beruflichen Laufbahn gezählt. Im Vorwort zu seiner ersten klinischen Biographie (Die Funktion der Sprache in der geistigen Entwicklung des Kindes» bringt er einen ähnlichen Gedanken zum Ausdruck: «Wenn es einem Autor gestattet ist, die Gefühle zu äußern, die er bei seiner Arbeit empfindet, so muß ich bemerken, daß ich stets mit Wärme an die Erfahrungen zurückdenke, die in diesem Büchlein ihren Niederschlag gefunden haben. »
    Was ist diese «Wärme», von der Lurija spricht? Sie ist offenbar

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