Der Mann, der sich in Luft auflöste
gemeldet. Wenn er vorgehabt hätte, sich in den Fluss zu stürzen, hätte er warten müssen, bis es dunkel war. Vielleicht hatte er versucht, seinen Kater mit Aprikosenschnaps zu lindern, und sich dabei einen neuen, verheerenden Rausch zugezogen, aber dann hätte er sechzehn Tage Zeit gehabt, wieder nüchtern zu werden. Das war mehr als reichlich bemessen. Im Übrigen trank er normalerweise nicht, wenn er arbeiten musste. Er sei ein Journalist modernen Typs, schnell, effektiv und direkt, hatte irgendwo in dem Bericht des Staatsschutzes gestanden.
Einer, für den zuerst die Arbeit und dann das Vergnügen kam.
Unangenehm. Sehr unangenehm. Äußerst unangenehm. Verdammt unangenehm. Geradezu peinlich.
Martin Beck legte sich auf das Bett. Es knarrte gewaltig. Kein Gedanke mehr an Conrad von Hötzendorf. Hatte es unter Alf Matsson geknarrt?
Vermutlich. Wer bezog schon ein Hotelzimmer, ohne sofort das Bett zu prüfen? Matsson hatte also hier gelegen und zu der vier Meter hohen Decke hinaufgestarrt. Dann war er gegangen, ohne auszupacken und ohne den Schlüssel abzugeben. Und verschwunden. Hatte das Telefon geklingelt? Eine überraschende Nachricht gebracht? Martin Beck faltete seinen Stadtplan von Budapest auseinander und studierte ihn lange.
Dann überkam ihn das Verlangen, so etwas wie eine Pflicht zu erfüllen, und er erhob sich, steckte Stadtplan und Pass in die Gesäßtasche und ging hinunter, um sich das Gepäck anzusehen.
Der Empfangschef war ein beleibter älterer Mann, freundlich, würdevoll und ein Muster an Korrektheit. Nein, für Mr. Matsson habe niemand angerufen, solange Mr. Matsson im Hotel gewesen sei. Später, nachdem Mr. Matsson das Hotel verlassen habe, seien mehrere Anrufe eingegangen. Sie hätten sich in den folgenden Tagen wiederholt. War es immer dieselbe Person, die angerufen hatte? Nein, unterschiedliche Personen, die Telefonistin in der Vermittlung sei sich in diesem Punkt sicher.
Männer? Sowohl Männer als auch Frauen, zumindest eine Frau. Hatten diese Personen eine Nachricht oder ihre Telefonnummer hinterlassen?
Nein, weder eine Nachricht noch ihre Telefonnummer. Später seien Anrufe aus Stockholm und von der schwedischen Botschaft eingegangen.
Bei diesen Telefonaten seien dagegen sowohl Nachrichten als auch Telefonnummern hinterlassen worden. Die Notizen seien noch da. Wolle Mr. Beck sie sehen? Nein, Mr. Beck wollte sie nicht sehen.
Das Gepäck befand sich tatsächlich in einem Raum hinter der Rezeption.
Es war sehr übersichtlich: eine Reiseschreibmaschine der Marke Erika und eine gelbbraune Schweinsledertasche mit Riemen. In dem Anhänger am Griff steckte eine Visitenkarte: Alf Matsson, Reporter, Fleminggatan 34, Stockholm K.
Der Schlüssel steckte im Schloss.
Martin Beck nahm die Schreibmaschine aus ihrem Koffer und studierte sie lange. Er kam zu dem Schluss, dass es sich um eine Reiseschreibmaschine der Marke Erika handelte, und nahm sich die Tasche vor.
Diese schien sorgfältig und ordentlich gepackt zu sein, trotzdem hatte er das Gefühl, dass jemand sie mit geübter Hand durchsucht und alles wieder an seinen Platz gelegt hatte. Der Inhalt bestand aus einem karierten Hemd, einem braunen Freizeithemd, einem weißen Popelinehemd, um das noch die Banderole der Wäscherei prangte, einer frisch gebügelten hellgrauen Hose, einer Art Strickjacke in Blau, drei Taschentüchern, vier Paar Strümpfen, zwei bunten Unterhosen, einem Netzunterhemd und einem Paar Wildlederschuhe. Alles war sauber.
Außerdem enthielt die Tasche noch einen Kulturbeutel, einen Stoß Schreibmaschinenpapier, einen Schreibmaschinenradiergummi, einen elektrischen Rasierapparat, einen Roman und eine dunkelblaue Plastikhülle von der Sorte, wie Reisebüros sie kostenlos mitgeben und die für die Tickets immer zu klein sind. Im Kulturbeutel befanden sich eine Flasche Rasierwasser, ein unbenutztes Stück Seife, eine angebrochene Zahnpastatube, eine Zahnbürste, eine Flasche Mundwasser, eine Schachtel Kopfschmerztabletten und eine Packung Präservative. In der dunkelblauen Plastikhülle steckten fünfhundert Dollar in Scheinen und sechs schwedische Hunderter. Eine verblüffend üppige Reisekasse, aber Alf Matsson schien es ja gewohnt zu sein, auf großem Fuß zu leben.
Martin Beck verstaute alles so sorgfältig wie möglich wieder in der Tasche und kehrte zur Rezeption zurück. Es war zwölf Uhr und höchste Zeit, aus dem Haus zu gehen. Da er ohnehin nicht wusste, was er tun sollte, konnte er das genauso gut an der
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