Der Mann, der sich in Luft auflöste
er. »Was?«
»Dass wir ihn nicht ausfindig machen können.« Eine halbe Stunde später kehrte Martin Beck in sein Hotel zurück. Es war bereits Zeit zum Abendessen. Die Dämmerung senkte sich über die Donau. Auf der anderen Seite des Flusses sah er den Kai, die Steinmauer und die Treppe.
18
Martin Beck hatte sich gerade umgezogen und war schon fast auf dem Weg ins Restaurant, als das Telefon klingelte. »Aus Stockholm«, sagte das Fräulein vom Amt. »Ein Redakteur Eriksson.«
Er kannte den Namen: Der schmückte Alf Matssons Chef, den Redakteur der aufstrebenden Illustrierten.
Eine wichtigtuerische Stimme drang an sein Ohr.
»Kommissar Beck, nehme ich an? Hier ist Chefredakteur Eriksson.«
»Erster Kriminalassistent.« Der Mann ignorierte die Richtigstellung.
»Nun, Sie werden sich denken können, Herr Kommissar, dass ich Ihren Auftrag kenne. Ich habe Sie schließlich auf diese Spur gebracht.
Außerdem habe ich gute Verbindungen zum Ministerium.«
Sein schrecklicher Namensvetter hatte also wie erwartet nicht den Mund halten können. »Sind Sie noch da?«
»Ja, natürlich.«
»Wir sollten uns vielleicht ein wenig vorsichtig ausdrücken, wenn Sie verstehen, was ich meine. Als Erstes muss ich Sie fragen: Haben Sie die gesuchte Person gefunden?«
»Matsson? Nein, noch nicht.«
»Auch nicht den geringsten Anhaltspunkt?«
»Nein.«
»Das ist ja wirklich unerhört!«
»Ja.«
»Nun, wie soll ich das jetzt sagen ... Wie ist das Klima da unten?«
»Warm. Ein wenig diesig morgens.«
»Wie bitte? Diesig morgens? Ah, ich denke, ich verstehe. Ja, genau. Na, jedenfalls ist es so, dass wir es nicht verantworten können, mit dieser Sache noch länger hinter dem Berg zu halten. Schließlich ist es ganz unglaublich, was da passiert ist, eröffnet grauenhafte Perspektiven. Wir tragen auch große Verantwortung für Matsson persönlich. Er ist einer unserer besten Mitarbeiter, ein ausgezeichneter Mann, durch und durch anständig und loyal. Ich habe ihn nun schon seit etlichen Jahren in meinem Stab und weiß, wovon ich spreche.«
»Wo?«
»Wie bitte?«
»Wo haben Sie ihn, sagten Sie?«
»Oh, ach so. In meinem Stab. Wir nennen das so, also den Redaktionsstab. Wie gesagt, ich weiß, wovon ich spreche. Ich kann für den Mann meine Hand ins Feuer legen, und das macht meine Verantwortung nur noch größer.« Martin Beck dachte an etwas anderes. Er versuchte sich vorzustellen, wie Eriksson aussah. Vermutlich war er ein fetter, aufgeblasener Zwerg mit Schweinsäuglein und rotem Bart. »Deshalb habe ich heute beschlossen, schon in der Nummer der nächsten Woche unseren ersten Artikel zum Fall Alf Matsson zu bringen. Gleich jetzt am Montag, ohne jede weitere Verzögerung. Nun ist der Moment gekommen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf diese Geschichte zu lenken. Ich wollte wie gesagt nur sichergehen, dass Sie keine Spur von ihm gefunden haben.«
»Ich finde, Sie sollten Ihren Artikel nehmen und ...«
Martin Beck bremste sich in letzter Sekunde und sagte:
»... ihn in den Papierkorb werfen.«
»Bitte? Was haben Sie gesagt? Ich verstehe Sie nicht.«
»Lesen Sie morgen die Zeitungen«, sagte Martin Beck und legte auf.
Ihm war im Laufe dieses Gesprächs der Appetit vergangen. Er holte die Flasche Whisky hervor, schenkte sich ein Glas ein, setzte sich hin und überlegte. Er hatte schlechte Laune und Kopfschmerzen, außerdem war er unhöflich gewesen. Das war es aber nicht, woran er dachte.
Alf Matsson war am 22. Juli nach Budapest gekommen. Das Personal der Passkontrolle hatte ihn gesehen. Er war mit dem Taxi zum Hotel Ifjüsäg gefahren und hatte dort übernachtet. Irgendjemand an der Rezeption musste sich mit ihm befasst haben. Am folgenden Tag, Samstag, dem 23., war er, wiederum per Taxi, hier ins Hotel Düna umgezogen und eine halbe Stunde geblieben. Ungefähr um zehn Uhr am Vormittag war er weggegangen. Die Leute an der Rezeption hatten ihn bemerkt.
Danach hatte, soweit bekannt, niemand mehr Alf Matsson gesehen oder mit ihm gesprochen. Er hatte eine einzige Spur hinterlassen: den Schlüssel des Hotelzimmers, der laut Szluka auf der Treppe des Polizeipräsidiums gefunden worden war. Wenn man davon ausging, dass Fröbe und Radeberger die Wahrheit sagten, war er nicht zum Treffpunkt in Üjpest gekommen, und sie hatten ihn folglich weder entführen noch umbringen können.
Also hatte sich Alf Matsson aus unbekannter Ursache in Luft aufgelöst.
Das verfügbare Material war äußerst mager, aber trotzdem das Einzige,
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