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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Mannes. Ein paar Schwalben strichen über die Wiese, sie hatten ihr Nest auf dem Dachboden der Scheune. Sonny beobachtete die metallisch blauen Pfeile, die durch die Luft sausten, bevor sie durch die alte Heuluke hineinschlüpften, die schief an einem Scharnier unter dem Dachgiebel hing.
    Unterhalb des Wohnhauses glitt der Fluss in einer breiten, langsamen Bewegung dahin. Beruhigend anzusehen. Während seiner Jahre auf der Polizeihochschule war es der Fluss gewesen, den er am meisten vermisst hatte. Das Angeln. Frisch gefangene Äsche, über dem Feuer in einem rußigen Topf gekocht. Fischfett an den Fingern, die Sonne, die niemals unterging. Der Sommer war ein einziger langer Tag, ein lang gestrecktes Märchenlicht. Gegen Mitternacht senkten sich die Augenlider nur ein wenig, so dass die Pupillen röter und heißer wurden, bevor der Tag wieder geöffnet wurde.
    Es gab Menschen, die den ganzen Sommer über nie schliefen. Man sprach von Wahnsinn, vom Hobel der Sonne im dampfenden Bauholz und dem messerscharfen Duft nach Harz. Ein Turm sonnengetränkter Ziegel, der immer höher hinauf in den Himmel wuchs, ganz ohne den feuchten Mörtel des Schlafs. Stein auf Stein in einem Puzzle aus Sauerstoff.
    Sonny drehte den Autositz nach hinten in eine bequemere Position, streckte die Füße zwischen den Pedalen aus und entdeckte wieder sein altes, festgeklebtes Kaugummi. Gerade als er sich die harte, leicht klebrige Kugel auf die Zunge legte, entdeckte er eine Bewegung im Gras hinter dem Haus. Ein wippender Kopf, der aus der Erde herauszuwachsen schien, gefolgt von Hals und Schultern. Ein langer Körper in Waldkleidung, grüne Hosenbeine in Gummistiefeln, die über die Uferböschung stapften und sich dem Vorhof näherten. Der Mann hatte den Polizeiwagen noch nicht entdeckt. Mit verschwitzten Fingern ergriff Sonny sein Handy, tastete zitternd die Nummer ein und spürte, wie sein Puls schneller wurde.
    »Er ist jetzt da.«
    »Im Haus?«
    »Er kommt aus der falschen Richtung, unten vom Fluss, kann mich jeden Moment entdecken.«
    »Scheiße. Der Staatsanwalt hat noch nichts von sich hören lassen. Okay, lade ihn zur Befragung vor.«
    »Ich glaube nicht, dass er freiwillig mitkommen wird.«
    »Bitte ihn ganz freundlich, du kriegst in wenigen Minuten Verstärkung!«
    »Soll ich ihn festnehmen?«
    »Nein, bitte ihn nur, zu einem Gespräch mitzukommen.«
    »Ich denke nicht, dass er mitmacht, jedenfalls nicht gleich. Glaub mir, er schleppt den größten Lachs mit sich, den ich jemals gesehen habe!«
     

9
     
    Das Verhörzimmer war stickig und für die vier Personen zu klein, die sich jetzt darin befanden. Therese beugte sich vor, stellte das Aufnahmegerät an und gab die statistischen Informationen mit Datum und Zeitpunkt an.
    »Esaias Vanhakoski, ist das Ihre Hose?«
    Sic machte ein Zeichen, und Dagewitz hielt eine durchsichtige Plastiktüte mit einer abgewetzten Jeans hoch. Der Stoff war steif von dunklen, eingetrockneten Flecken. Der Mann auf dem Stuhl ihr gegenüber antwortete nicht. Seine Kiefermuskeln spannten sich und lockerten sich wieder. Er trug eine Baseballcap, die einmal weiß gewesen war, mit der Zeit aber eine aschgraue, geflammte Nuance angenommen hatte. Der Schirm war ausgefranst, die schmutzige Pappe schaute heraus. Darunter lag ein Paar tief liegende Augen, rot geädert von der Mitternachtssonne und dem Rauch eines Kaffeefeuers. Blonde, zottige Haarsträhnen bogen sich wie Hörner über den Ohren. Die grüne Anglerjacke hatte er über den Stuhlrücken gehängt, ein rot kariertes Flanellhemd war am Hals weit aufgeknöpft und am Ellbogen aufgescheuert. Er roch nach Insektenmittel und Waldbrand, gemischt mit etwas Salzigem, Scharfem, das in die Wildnis gehörte. Auf dem Tisch lagen seine Hände mit schwarzen Fingernägeln und dunklem Flaum über den Knöcheln. Eine Fischschuppe klebte an der Haut, der Geruch von den Eingeweiden war noch zu riechen.
    Er sieht ungepflegt aus, dachte sie. Ein Landstreicher. Runter mit der Kleidung und her mit dem Wasserschlauch, um den Raubtiergeruch wegzukriegen. Sie hob zwei weitere Plastiktüten hoch, in einer lag ein Messer, in der anderen eine Handaxt.
    »Erkennen Sie die Gegenstände, Esaias? Wir haben sie in Ihrem Auto gefunden.«
    Er schien die Frage kaum zu hören. Demonstrativ langsam holte er eine Dose mit Snus heraus, klopfte auf den Deckel und drehte sich eine Snuskugel.
    »An Axt und Messer befinden sich Blutspuren«, fuhr sie fort. »Und an der Hose auch.«
    Er machte ihr das

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